Donnerstag, 15.09.2016


Buchpremiere mit Frank Schulz

Landpartie mit Onno Viets




Dreihundertelf Einwohner, Löschteich, Kühl- und Feuerwehrhaus (reetgedeckt), Netzempfang nur am Ortsrand, paar Rotklinkerhäuschen und die Rehe ganz dicht am Dorf. Ein „paradiesisches Fleckchen“, gerade mal 88 Autominuten von Hamburg entfernt, das ist Finkloch. Man ist gesellig, schunkelfest, trifft sich zum Gänseschießen, es gibt einen Schützen- und einen Heimatverein, den Mondwald und sogar einen Privatdetektiv. Der heißt Onno Viets, ist Hartz-IV-Empfänger und Held in einer grandiosen Romantrilogie von Frank Schulz, deren dritter Band soeben erschienen ist: „Onno Viets und der weiße Hirsch“.

In der deutschen Gegenwartsliteratur ist die Dorfidylle ein nahezu magischer Nährboden von Befindlichkeiten, hier wächst und gedeiht und wird sichtbar, was sonst im urbanen Großraum unter die Räder der Gentrifizierung gerät, ob in Juli Zehs „Unterleuten“, in Saša Stanišics Fürstenfelde aus „Vor dem Fest“ oder eben im Schulz´schen Finkloch. Dort sucht Onno „Noppe“ Viets Zuflucht, nachdem er schon seit Wochen an der Pingpong-Platte des „BSV Hollerbeck Eppendorf e.V.“ versagt. Seine „rasiermesserscharfen Reflexe“ sind ihm durch die posttraumatische Belastungsstörung abhanden gekommen, an der er leidet, seitdem er in seinem ersten Fall mit einer autoaggressiven Kiezgröße zusammengekracht ist. Bei seinen Schwiegereltern auf dem Lande hofft er auf Erholung und einen Weg in die Frührente. Doch schon bald gibt es einen Toten, und Onno wird prompt in ein finsteres Welt-, Wald- und Wiesentheater verstrickt, wie es in dieser sprachlichen Wucht nur Frank Schulz erzählen kann. Für Norddeutsche ist das Buch sowieso Pflichtlektüre: „Ja! Nn. Ja! Wt, ft. Mensch, Mensch!“ Wie Knut Wiesmann sagen würde, Forstwirt in Rente. „...Ft,ft.“

Zur Premierenlesung des dritten und abschließenden Bandes der berühmten Saga treten an – der Autor Frank Schulz selbst, Tagesschau-Moderatorin Linda Zervakis und die Bestsellerautorin Dörte Hansen.

Harbour Front Literaturfestival im Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66, 20.00 Uhr, 18.- Euro.


Lesung und Gespräch mit Robert Habeck

Die Schwarzbrot-Metapher in der Literatur und der Politik




Manchmal gibt es seltsame Koinzidenzen. Da schlägt man den Sammelband „Wie wir leben wollen. Texte für Solidarität und Freiheit“ (Suhrkamp Verlag) auf und in der Erzählung „Die Modernisierung meiner Mutter“ von Bov Bjerg erfährt man, dass es vor dem Krieg und der Vertreibung aus Böhmen „nur Schwarzbrot und niemals Schokolade“ gegeben hat, aber „das war nicht schlimm, denn es hat einem nicht geschadet“. Und dann schlägt man das neue Buch „Wer wagt, beginnt“ von Robert Habeck auf und da steht: „Philosophie ist das Schwarzbrot meiner Politik“.

Robert Habeck, der Germanistik, Philosophie und Philologie studierte und als Schriftsteller arbeitete, bevor er in die Politik ging, schließt mit seiner „Schwarzbrot“-Metapher ein Kapitel in seinem Buch ab, das erzählt, wo er herkommt, wessen Geistes Kind er ist, dass ihn die Lektüre von Heideggers Existenzphilosophie zum Skeptiker gegenüber allgemeinen Wahrheiten gemacht hat, weil sie „sich der Kritik entziehen“, während man sich über Werte verständigen könne und dies stets aufs Neue auch tun müsse.
In Bov Bjergs Erzählung geht es ebenfalls darum, wo er herkommt und um die handfesten Interessen von Verkäuferinnen gegen-über ihrem Chef geht es auch. Der Chef, wie Bjergs sich modernisierende Mutter aus Böhmen ins Nachkriegsdeutschland gekommen, baut nach dem Krieg eine Super-markkette auf und lässt seine Angestellten Überstunden schieben, ohne sie zu bezahlen. Das Schwarzbrot, das man im Notfall „wieder selber backen“ muss, hat in diesem Zusammenhang eine sehr konkrete Bedeutung, weil man sich in einer Gewerkschaft organisiert und riskiert, gefeuert zu werden. Das ist natürlich schon eine Weile her.
Für den Grünen-Politiker Habeck, der sich in diesem Herbst um die Spitzenkandidatur der Grünen für die Bundestagswahl bewirbt, ist das Schwarzbrot heute der Nährboden für „die Epoche einer ökologischen Moderne“, mit der „die Entkoppelung von Wohlstand und Ressourcen-verbrauch“ erreicht werden soll und eine „offene, internationale Gesellschaft in einem übernationalen Europa“. Und das wünschen wir uns eigentlich doch (fast) alle. Es fällt nur auf, dass es vor nicht allzu langer Zeit die Literatur gewesen wäre, die das „Schwarzbrot der Philosophie“ herbei zitiert hätte, während das Brot als Metapher in der Politik für sehr konkrete Aufgaben stand.
Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes „Wie wir leben wollen“ geben natürlich sehr verschiedene und am Ende doch wenig überraschende Antworten über Herkunft und Heimat, über Verlust und Verbundenheit. Es gibt sehr lesenswerte Beiträge, etwa jener von Stephan Thome „Über die durchlässige Grenze zwischen Heimat und Fremde“ und immerhin sogar ein „Manifest für eine intellektuelle und politische Gegenoffensive“.
Bei Robert Habeck geht es dagegen, trotz aller Philosophie, meist doch um die Konkretisierung der Fragen: Welche Gesellschaft wollen wir sein? In welcher Zukunft wollen wir leben? Beim „Schwarzbrot der Philosophie“ lässt er auf seinem Weg in die Bundespolitik halt ganz schamlos den Schriftsteller raushängen. Im Untertitel heißt sein Buch schließlich auch: „Die Politik und ich“.

Robert Habeck liest in der Kühne Logistics University aus seinem Plädoyer für politisches Engagement „Wer wagt, gewinnt“.

Harbour Front Literaturfes¬tival in der Kühne Logistics University – The KLU, Großer Grasbrook 15-17, 20.00 Uhr. Eintritt: 14.- Euro.


Lesung

„Nach einer wahren Geschichte“

Die französische Schriftstellerin Delphine de Vigan liest zusammen mit Milena Karas aus ihrem neuen Roman. Moderation: Angela Spizig

Harbour Front Literaturfestival auf der Cap San Diego, Luke 5, Überseebrücke , 21.00 Uhr, 14.- Euro.


Lesung

Debütantensalon mit Rasha Khayat und Roland Schimmelpfennig

Aus 50 Debütromanen deutschsprachiger Autorinnen und Autoren, die in diesem Jahr erschienen sind, hat eine Jury 8 ausgewählt, die beim Debütantensalon des Harbour Front Literaturfestivals vorgestellt werden und sich gleichzeitig um den mit 10.000 Euro dotierten Klaus-Michael Kühne Preis bewerben. Zum Auftakt liest Rasha Khayat aus ihrem Roman „Weil wir längst woanders sind“, der Dramatiker Roland Schimmelpfennig liest aus seinem Prosadebüt „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“.

Harbour Front Literaturfestival im Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Str. 69a, 19.00 Uhr, 10.- Euro.


Harbour Front Literaturfestival

1. Indiebooknight

Der Berliner Verbrecher Verlag, der binooki Verlag, Voland & Quist und der Hamburger Mairisch Verlag präsentieren ihre Programme, der Autor und Koch Stevan Paul liest aus seinem neu bei Mairisch erschienenen Roman „Der große Glander“. Musik: DJane Miss Alaska.

Harbour Front Literaturfestival auf der Cap San Diego, Luke 4, Überseebrücke, 19.00 Uhr, 12.- Euro.


Harbour Front Literaturfestival

„Leberkäsjunkie“

Rita Falk liest aus ihrem neuen Kriminalroman. Moderation: Florian Wagner.

Harbour Front Literaturfestival in der Fabrik, Barnerstr. 36, 20.00 Uhr, 15.- Euro.


Harbour Front Literaturfestival

„Erinnerte Tage“

Der niederländische Musiker Herman van Veen liest aus seiner Autobiographie.

Harbour Front Festival in St. Katharinen, Katharinenkirchhof 1, 20.00 Uhr, 14.- Euro.


Lesung

„AHAB no. 1“

Zum Auftakt einer neuen Reihe lesen Wolfgang Denkel, Sven Heuchert und Melanie Khoshmashrab neue Texte. Moderation: Jonis Hartmann. , Café Luv + Lee, Feldstr. 36, 20.15 Uhr, 6.- Euro.


Aisstellungseröffnung

„Wunder der erschaffenen Dinge“

Zur Eröffnung der Ausstellung mit „Osmanischen Manuskripten in Hamburger Sammlungen“ spricht Prof. Dr. Claus-Peter Haase zum Thema „Property obliges – early Islamic manuscript collections in Hamburg and other North German libraries“.

Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Lichthof im Altbau, Eingang Edmund-Siemers-Allee, Vortragsraum, 19.00 Uhr, Eintritt frei.


Poetry Slam

„Hunting Words“

Der Poetry Slam in Ottensen lehnt sich an den Hunting Wettbewerb beim Bogenschießen an: Nach der Vorrunde gibt es eine Endrunde mit den drei bestplatzierten Teilnehmern, die dann aber nur noch `einen Pfeil´ haben, nämlich einen Text von 2 Minuten.

Mathilde Bar, Kleine Rainstraße 11, 20.15 Uhr, 6.- Euro.


Harbour Front Literaturfestival

„Der Mann, der das Glück bringt“

Die Literaturkritik schwärmt von einem „lebensprallen Erzählfeuerwerk“ (NZZ), einem „kontrastreichen Sittengemälde vom New York der Jahrhundertwende“ (Lesart) und einem „Plädoyer für unsere Geduld, unsere Toleranz, unsere Liebe“ (WDR). Mit „Der Mann, der das Glück bringt“ legt der 1967 in Timisoara in Rumänien geborene Catalin Dorian Florescu, der heute in Zürich lebt, einen großartigen Familienroman vor. Zum Harbour Front Literaturfestival stellt er seinen Roman in der St. Pauli Kirche vor. Moderation: Stephan Lohr.

Ray und Elena lernen sich in einer dramatischen Nacht in New York kennen. Sie ist eine Fischerstochter aus dem Donaudelta, er ein erfolgloser Künstler, der noch an den Durchbruch glaubt. Sie muss die Asche ihrer Mutter nach Amerika bringen, er will erreichen, was sein Großvater für sich erhoffte. Ihre geheimnisvollen Lebenswege finden in jenem Augenblick zusammen, als sie sich entscheiden können, einander erzählend zu vertrauen. Ihre Familiengeschichten führen den Leser in die Welt New Yorks vor hundert Jahren und in das magische Universum des Donaudeltas.
In seinem spannenden, an Fabulierlust und Überraschungen reichen Roman, der von 1899 bis in die Gegenwart reicht, lässt Catalin Dorian Florescu zwei Erzählstimmen abwechselnd zu Wort kommen. So entsteht das Bild eines fantastischen und harten Jahrhunderts zwischen dem Schwarzen Meer und der amerikanischen Metropole. Ein Roman voller Tragik und Komik, der gleichzeitig eine literarische Reverenz an die Fähigkeit des Menschen ist, sein Glück zu suchen, zu überleben und allen Widrigkeiten zum Trotz zu lieben.

Harbour Front Literaturfestival in der St. Pauli Kirche, Pinnasberg 80, 20.00 Uhr, 14.- Euro.


Reisereporte

„Unter dem Schutz des heiligen Gaucho“

Christoph Gurk präsentiert seine Reisereportage über Argentinien und zeigt Fotos.

Dr. Götze Land & Karte, Alstertor 14-18, 19.00 Uhr, 10.- Euro inkl. Snacks und Getränke in der Pause. Anmeldung unter Tel.: 040-3574630, E-Mail: event@landundkarte.de.

Literatur in Hamburg