Home
News
Seminare
Weblesungen
Preise
Links
Kontakt
Impressum / Datenschutz
»Wut und Wertung«
Lesung und Gespräch mit Johannes Franzen, Nicole Seifert und Till Raether
»
»Zauberberg 2«
Lesung mit Heinz Strunk
»
Sommer-Literaturfestival für Kinder und Jugendliche
10. Hamburger VorleseVergnügen
»
»Blaues Wunder«
Lesung mit Anne Freytag
»
»HAPPY«
ZIEGEL-Lesung in der HafenCity
»
«
Juni 2025
»
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
» Die digitale Printausgabe
Sommer 2025 »
Archiv »
Jetzt reinhören!
866 Weblesungen von 313 Autor*innen
Archiv der Weblesungen »
Newsletter bestellen
Dienstag 17.06.2025
Nature Writing Festival Hamburg
Auf allen Blättern großer Gehalt
Marion Poschmann, Foto: Heike Steinweg, Suhrkamp Verlag
Nature Writing ist ein offenes und weites Feld, es umfasst alle Genres und Formen der Literatur, solange eine Naturerscheinung mit hohen literarischen Ansprüchen gestaltet wird. Das kann eine »Verslegende« über eine »Winterschwimmerin« sein, ein Essay über die »Natur als Rechtspersönlichkeit« oder ein Roman mit dem Titel »Flusslinien«, wie ein Blick in das Programm des Nature Writing Festivals Hamburg zeigt. In rund 50 Veranstaltungen präsentiert das von Klaas Jarchow kuratierte Festival ein großes Literatur- und Naturprogramm. Ein kleiner Wegweiser mit einigen der Highlights.
Die »Natur ist doch das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet«, schreibt Goethe in seiner »Italienischen Reise« und begeistert sich für das »herrliche Meer« bei stürmischem Wetter, während ihm das Theater in Neapel »gar keine Freude« ist. Heinrich Heine hat den Klassiker in seinen »Reisebildern« später sehr für seine Naturbeschreibungen gelobt und kann sich den Spott doch nicht ganz verkneifen: »Die Natur wollte wissen, wie sie aussah«, heißt es da, »und sie erschuf Goethe«. Diese kleine Episode zeigt, wie lange es das, was wir heute unter dem Label Nature Writing kennen, in der deutschen Literatur schon gibt, wobei es vor allem Alexander von Humboldt war, der die Entstehung des Nature Writing in den USA und Großbritannien beeinflusste. Dort entstand eine eigene und bis heute starke Traditionslinie, in der deutschen Gegenwartsliteratur ist Naturerfahrung und ihre Beschreibung dagegen erst in den letzten Jahren wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, das zeigt sich auch in Buchreihen wie der von dem Verleger und Autor Klaas Jarchow im KJM Buchverlag herausgegebenen Reihe »European Essays on Nature and Landscape«, die der Ausgangspunkt des ersten Nature Writing Festivals in Hamburg ist.
Wer sich dafür interessiert, warum es kaum etwas Lebendigeres in den Künsten gibt als die Natur und was Nature Writing heute so spannend und interessant macht, geht am besten zur Festivaleröffnung (17.6., 19.30 Uhr), wo der Festivalleiter Klaas Jarchow unter dem Motto »Die Natur und wir« das Programm vorstellen wird und ein Gespräch mit den Autor:innen Katharina Hagena, Karsten Reise, Miek Zwamborn, Uwe Rada und Mara-Daria Cojocaru über Nature Writing führen wird.
Gleich am ersten Festivaltag stehen dann eine ganze Reihe hochkarätiger Veranstaltungen im Programm: Marion Poschmann (18.06., Buchhandlung Wassermann) stellt ihre vielgelobte Verslegende »Die Winterschwimmerin« vor, in der sie von einer ungewöhnlichen Naturerfahrung erzählt. Im Zentrum steht Thekla, die sich bei eisigen Temperaturen zum Schwimmen in offene Gewässer wagt und dabei ein großes Gefühl von Freiheit und Autonomie findet – bis sie einem entlaufenen Tiger begegnet. Der hellwache Text ist virtuos in Versform und verschiedene Abschnitte gegliedert, die man auch für sich lesen kann, changiert zwischen Erzählung, Essay und Dichtung und ist, trotz aller Gelehrsamkeit über den »fundus animae« (Seelengrund) und Fudó (japanische Gottheit), eine spannende und unterhaltende Lektüre.
Eine der großen Autorinnen der deutschen Gegenwartsliteratur ist Esther Kinsky (18.06, Literaturhaus). Charakteristisch für die Arbeiten der in Berlin lebenden Schriftstellerin ist der Blick auf Landschaften. In ihrem Roman »Rombo« (2022) erinnert sie in einer Mischung aus Dokumentation, Geschichtensammlung und geologischer Landes- und Naturkunde an eine Naturkatastrophe, die Nordostitalien 1976 erschütterte. Am 6. Mai bebte die Erde in der Region Friaul-Julisch Venetien so gewaltig, dass die Erdstöße noch in Slowenien und Österreich zu spüren waren. Esther Kinsky setzt ein vielteiliges Mosaik zu einer Gesamtschau darüber zusammen, wie das Erdbeben erlebt wurde und was es in dieser Landschaft hinterlassen hat. Gegend und Gelände stehen auch im Zentrum ihrer Gedichte in dem Band »Schiefern«, den sie zum Nature Writing Festival vorstellen wird.
Gleich bei mehreren Veranstaltungen gastiert die Lyrikerin und Philosophin Mara-Daria Cojocaru (18.06., Büchercafé Kapitel Drei, 19.06., Zentralbibliothek), die an der Hochschule für Philosophie in München lehrt und zum philosophischen Pragmatismus und zur Tierphilosophie forscht. In ihrem zuletzt erschienenen Gedichtband »Buch der Bestimmungen« erzählt sie von der Leichtigkeit des Gesprächs zwischen Katzen und Füchsen, von Wasserbären im Weltall, vom Aussterben der Nebel und von desinteressierten Rehen.
Eine besondere Rolle spielen Naturräume auch in der Literatur der Hamburger Schriftstellerin Katharina Hagena (19.06., cohen + dobernigg). In ihrem brillanten neuen Roman »Flusslinien« bilden das Falkensteiner Ufer an der Elbe und der Römische Garten in Blankenese die Bühne für ein großes Welttheater über die Liebe und den Tod, Freundschaft und Verrat. Im Zentrum stehen eine sehr alte Dame, ihr Fahrer und ihre Enkelin, aber auch die erste Obergärtnerin Deutschlands. Gastauftritte haben der endemische Schierlingswasserfenchel, eine Nacktschnecke, ein Maulwurfsweibchen, Wildgänse – und ein Orchester für Luftinstrumente.
Abschließend sei hier schließlich noch ein Besuch im Teehaus in Planten un Blomen empfohlen. Während des Nature Writing Festivals findet man dort alle Festival-Bücher zum Reinlesen. Den Schlussakkord des Festivals setzen dann Lars Fischer, Kristin Gora, Lann Hornscheidt und Klaas Jarchow (21.06., Zentralbibliothek) mit einem Gespräch über das Verlegen von Büchern über die Natur.
Zentralbibliothek, Hühnerposten 1, 19.30 Uhr, Eintritt frei