Donnerstag, 20.04.2017


HIGH VOLTAGE – Frühjahrslesetage

Unter Strom




Hamburg, die Literatur und der Strom, das ist eine Geschichte glanzvoller literarischer Höhepunkte, aber auch erbitterter Auseinandersetzungen um Atomstrom, Kultursponsoring, Verantwortung und Moral. Die Hamburger Elektricitäts-Werke (HEW) finanzierten schon in den 1990er Jahren ein großes Frühjahrslesefest. Fortgesetzt wurde es vom Vattenfall Konzern, in dem die HEW 2002 aufgegangen waren, doch der Energieriese zog sich entnervt zurück, nachdem alljährlich zwei Festivals gegen das Kultursponsoring Stellung bezogen. In diesem April wird Hamburgs Literatur nun wieder unter Strom gesetzt: „High Voltage“ nennt sich ein kleines und feines Festival, mit dem das Literaturhaus und das städtische Stromnetz an die traditionellen Lesetage anknüpfen.

Es waren um die 20.000 Besucher, die noch vor wenigen Jahren von den Frühjahrslesetagen und ihren fast 200 Veranstaltungen in Hamburg angezogen wurden. Das Bedürfnis nach literarischer Hochspannung im Frühling ist also groß. „High Voltage“ startet nun mit einem schmalen Programm, das kann sich jedoch sehen lassen: Vom 20. Bis zum 26. April gastieren u.a. Jostein Gaarder, Clemens Meyer, Zsuzsa Bánk und Eva Menasse an verschiedenen Orten in der Stadt, ergänzt werden die Lesungen durch Veranstaltungen für Kinder. Zum Auftakt des Festivals stellt Jostein Gaarder seinen soeben neu erschienenen Roman „Ein treuer Freund“ vor. Der norwegische Schriftsteller wurde Anfang der neunziger Jahre mit „Sofies Welt“ berühmt, einer erzählerischen Einführung in die Philosophie, die in 60 Sprachen übersetzt wurde. Von seinem Roman „Ein treuer Freund“ sagt Gaarder, es sei ein Roman „über Einsamkeit, jedenfalls ist er das auch“. Erzählt wird in dem Schelmen- und Liebesroman von einem gewissen Jakop Jacobsen, dessen bester Freund Pelle eine Handpuppe ist und auch noch deutlich gewitzter als er selbst. Ebenfalls ziemlich seltsam ist das Hobby von Jakop, er geht nämlich gern auf fremde Beerdigungen. Dort lernt er eines Tages Agnes kennen. Er verliebt sich und hofft, dass sie ihn trotz des vorlauten Pelle erhört.

Jostein Gaarder liest im Magazin-Kino aus „Ein treuer Freund“. Moderation: Margarete von Schwarzkopf. Die deutschen Texte liest: Sascha Rotermund.

Magazin-Filmkunsttheater, Fiefstücken 8a, 19.30 Uhr, 12.-/8.- Euro.


Lesung

HIGH VOLTAGE – Frühjahrslesetage

Maja Nielsen liest aus ihrem Buch „Martin Luther. Glaube versetzt Berge“. Für Kinder ab 11 Jahren.

Haus 12, Betriebshof Stromnetz Hamburg GmbH, Bramfelder Chaussee 130, 10.00 Uhr. Eintritt: 4.- Euro. Anmeldung unter Tel.: 040-492027042 erforderlich.


Multivisionsshow

Vom Reisen als praktische Philosophie

Matthias Politycki und Achill Moser
Jens Eisel, Foto: Melina Mörsdorf
Sie sind beide weit herumgekommen in der Welt: Matthias Politycki gilt als Weltreisender unter den deutschen Schriftstellern, seine Romane spielen in Japan, an der Seidenstraße, auf Kuba, und auch in seinen Gedichten ist die weite Welt allgegenwärtig, ob im „Asahi-Blues“ oder in einer Ballade auf seine Wanderschuhe, die ihn auch schon mal auf den falschen Gipfel führten. Ebenfalls gut zu Fuß ist der Reisefotograf und Autor Achill Moser, er hat 25 Wüsten durchquert, in seinem Buch „Das Glück der Weite“ erzählt er davon. Auf den Spuren von Don Quijote ist Moser zudem durch Kastilien gewandert – das Gehen gilt ihm als eine Form der Glückssuche, wie er in seinem Buch „Zu Fuß hält die Seele Schritt“ (Hoffmann und Campe) berichtet. Was ihn mit Matthias Politycki verbindet, mit dem er gemeinsam im Museum für Völkerkunde in einer Multivisionsshow „Das Abenteuer hinterm Horizont“ vorstellen wird, ist, dass ihm das Reisen als praktische Philosophie gilt.

„Den Wert einer Reise“, schreibt Matthias Politycki in seinem in diesem Frühjahr neu erschienenen Buch „Schrecklich schön und weit und wild“ (Hoffmann und Campe), in dem er davon erzählt „warum wir reisen und was wir dabei denken“, „bemesse ich nicht nach ihrem Schwierigkeitsgrad, ihrer Exotik oder sonstigen Rahmenbedingungen, sondern nach den Erkenntnissen, die auf den Wegen der Neugier als Stolpersteine lagen.“ Eine dieser Erkenntnisse bildet nun das Auftaktkapitel zu seinem vielschichtigen Reisebuch, das unter dem Titel „Mein Abschied vom Reisen“ zuerst die Standortbestimmung einer Generation in der Gegenwart vornimmt, deren kleinster gemeinsamer Nenner es einmal war, dass es sich lohnt, die Welt zu bereisen. In einer Art literarischem Logbuch und Erfahrungsbericht zugleich vermisst Politycki dann die globalisierte Welt, in der die fernsten Ziele scheinbar vor der Tür liegen, angefangen bei der „Landkartenlust“ über die „Mär vom leichten Gepäck“, das „Netto Erlebnis“, den „Tourplan“, die „plötzliche Wucht des Schönen“ und „Tops und Flops“. Dass es ihm nie ums „Länder abhaken“ geht, wird besonders dann deutlich, wenn Politycki von den unerwarteten Erlebnissen unterwegs erzählt, ob an einem „schrecklich schönen Tag“ vor der Küste von North Carolina oder bei einer Wanderung in den „Müllbergen“ von Kalkutta, die zu den „letzten weißen Flecken auf der Landkarte“ gehören. Vielleicht hätte Politycki ausgerechnet davon nicht erzählen sollen – man sieht schon Heerscharen von Backpackern nach Kokata Dhapa und zur „Mutter aller Müllberge“ pilgern.

Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, 18.00 und 20.00 Uhr, jew. 15.-/9.- Euro. Tickets gibt es bei Heymann und auf www.heymann-buecher.de.


Lesung

„Das Rauschen in unseren Köpfen“




Svenja Gräfen liest aus ihrem Großstadt- und Liebesroman, der „eine kleine Weltbewegung“ (Nora Gomringer) erzählt und von Lene, Hendrik und dem fast perfekten Glück.

„Die Abende, die Nächte gehörten uns. Wir gingen nicht raus. Wir hatten hier alles, was wir brauchten, das heißt: uns. Wir hätten uns auch in einer Bar gehabt, im Kino, in einem Restaurant; aber eben nicht so, wir hätten uns teilen müssen mit einer ganzen Welt, die nach Aufmerksamkeit schrie.“ Lene lebt mit ihrer besten Freundin in einer WG in einer großen Stadt, ihre liebevolle Familie und der Freundeskreis geben Halt. Als sie Hendrik begegnet, scheint ihr Glück perfekt. Sie plant eine gemeinsame Zukunft, doch Hendriks Vergangenheit schleicht sich in ihr Leben ein. Da ist seine zerrüttete Familie, sein bisweilen merkwürdiges Verhalten. Und Klara.
cohen + dobernigg Buchhandel, Sternstr. 4, 21.00 Uhr, 8.- Euro.


Lesung

„Wir kennen uns nicht“

Birgit Rabisch liest aus ihrem neuen Roman, einem Porträt des Konfliktes zwischen der 68er Generation und ihren pragmatischen Erben. Moderation: Jürgen Volk, duotincta Verlag.

Literaturzentrum im Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, 7.-/4.- Euro.


Lesung

„Von Kröten, Cyborgs und Übernatürlichem“

Carsten Klook, Stefan Panhans, Romeo Grünfelder, Hanna Mittelstädt, Jonis Hartmann u.a. lesen aus ihren neuen Büchern.

Prinzessinnenzimmer im Gängeviertel, Valentinskamp 34a, Zugang von der Speckstraße, 19.00 Uhr, 5.- Euro.


Talkrunde

„Streit.Bar – Debatten der Gegenwart“

Die Soziologen Wolfgang Knöbl und Sighard Neckel, die Historikerin Miriam Rürup und ein Gast der Talkrunde diskutieren über die Sachbücher „Germanija – Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde“ von Dmitrij Belkin, „Die ungleiche Welt – Migration, das eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht“ von Branko Milanovic, „Das unmögliche Exil. Stefan Zweig am Ende der Welt“ von Georg Prochnik und den Roman „Erschlagt die Armen“ von Shumona Sinha.

Thalia Theater, Nachtasyl, Alstertor, 20.00 Uhr, 7.- Euro.


Festival

Konzeptkunst, Terrorismus, Hofintrigen

In einer genreübergreifenden Mischung aus Theater, Konzerten, Lesungen und Performances legt das von Branko Simic kuratierte Festival „Krass“ auf Kampnagel bis zum 30. April mit einem lauten „Kultur-Crash“ wieder „Lunte“ an gewohnte Betrachtungsszenarien. Lady Bitch Ray (22.4.) lädt zu einer Rap Poetry Performance, die unter dem Motto „Meine Votze gehörte mir“ zwischen stylish-wütender Konzeptkunst, vulgär aufgeladener Street-Battle und politischen Einsprüchen changiert; ein Team um die Hamburger Regisseurin Mable Preach hat ein Trainingscamp für Superhelden eingerichtet und Peter Engelmann, Verleger des Wiener Passagen Verlags, trifft sich zum Gespräch mit dem französischen Philosophen Alain Badiou über Armut, Migration und Terrorismus in Europa (25.4.).

Literarisches Highlight des Festivals ist das Meisterwerk eines großen europäischen Erzählers: Dževad Karahasan, 1953 in Bosnien geboren, hat elf Jahre an seinem neuen Roman „Der Trost des Nachthimmels“ gearbeitet, der Ende des 11. Jahrhunderts in der „Stadt aller Städte“ einsetzt, im persischen Isfahan. Es ist die Blütezeit des Seldschukenreiches unter Sultan Malik-Schah und dem Großwesir Nizam al-Mulk. Hofintrigen und soziale Spannungen bedrohen das Reich von innen, während ihm Kreuzritter und Mongolen von außen gefährlich werden. In drei großen Teilen entwirft Karahasan auf 700 Seiten einen Roman von hoher politischer Aktualität. Erzählt wird vom Niedergang eines bedeutenden Staatswesens, von einer fundamentalistischen Terrororganisation, die Angst und Schrecken verbreitet, und von der Verantwortung der Intellektuellen. In der Literaturkritik wurde „Der Trost des Nachthimmels“ als „ein Jahrzehnte-Ereignis“ („Neue Zürcher Zeitung“) gefeiert. Und ein großes Leseerlebnis bietet dieser Roman natürlich auch.

Kampnagel, K4, Jarrestraße


Vortrag und Gespräch

„Magazin machen“

Christoph Amend, Chefredakteur des ZEITmagazins, spricht mit Gerhard Steidl anlässlich der Ausstellung „Magazin machen“ über dessen Gestaltung des ZEITmagazins im Jahr 2015 und seine Arbeit als Verleger des Steidl Verlages.
Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, 19.00 Uhr, 8.- Euro.


Leseshow

„Momente mit Bente“

Die Poetry-Slamerin und Autorin Bente Varlemann präsentiert ihr neues Leseprogramm mit Kurzgeschichten und Spoken Word.

Polittbüro, Steindamm 45, 20.00 Uhr, 15.-/10.- Euro (inkl. Ausstellungsbesuch.


Literatur und Musik

„Mirabelle“

Der Trompeter und Musikproduzent Sören Schnabel liest aus seinem Romandebüt und macht Musik.

Komm Du – Kulturcafé Harburg, Buxtehuder Str. 13, 20.00 Uhr, Eintritt frei, Hutspende erbeten.


Poetry Slam

„Best of Poetry Slam“

Vier Slamer aus der A-Liga der deutschen Szene präsentieren sich in 10 Minuten dem Publikum. Moderation: Michel Abdollahi.

Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, 20.00 Uhr, 11.- bis 19.- Euro, ermäßigt 5.50 bis 8.50 inkl. HVV.


Poetry Slam

„Hunting Words“

Der Poetry Slam in Ottensen lehnt sich an den Hunting Wettbewerb beim Bogenschießen an: Nach der Vorrunde gibt es eine Endrunde mit den drei bestplatzierten Teilnehmern, die dann aber nur noch `einen Pfeil´ haben, nämlich einen Text von 2 Minuten. Moderation: Helene Bockhorst und Melanie Sengbusch.

Mathilde Bar, Kleine Rainstraße 11, 20.15 Uhr, 6.- Euro.


Vortrag

„Mut zum eigenen Verstand gegen `selbstverschuldete Unmündigkeit´. Was heißt heute Aufklärung?“

Vortrag von Prof. Dr. Birgit Recki im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung „Kritisch denken in den Geisteswissenschaften“.

Universität Hamburg, Philosophenturm, Hörsaal G, Von-Melle-Park 6, 16.00-18.00 Uhr, Eintritt frei.


Vortrag

„Wie Verlage arbeiten“

Vortrag von Ralf Plenz.

Café Chaussee, Eimsbütteler Chaussee 7, 15.30 Uhr.


Vortrag

„Einsteins Gravitationswellen“

Zum Auftakt der Akademievorlesungen zum Thema „Gravitationswellen – ein neues Fenster ins Universum“ spricht Prof. Dr. Jürgen Renn über „Einsteins Gravitationswellen und die wechselvolle Geschichte der Relativitätstheorie“.

Akademie der Wissenschaft in Hamburg in den Baseler Hof Sälen, Esplanade 15, 19.00 Uhr, Eintritt frei. Um Anmeldung unter www.awhamburg.de/veranstaltungen wird gebeten.


Literatur in Hamburg