Donnerstag, 04.01.2018


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Mara-Cassens-Preis 2017

Sasha Marianna Salzmann
Sasha Marianna Salzmann, Foto: Heike Steinweg
Das neue Jahr beginnt im Literaturhaus traditionell mit einem Festakt: Am 16. Januar wird Sasha Marianna Salzmann für ihr Romandebüt "Außer sich", 2017 bei Suhrkamp erschienen, mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet. Obwohl es inzwischen viele Debütpreise gibt, ist der Mara-Cassens-Preis, der seit 1970 verliehen wird, mit 15.000 Euro immer noch der höchstdotierte Preis für einen deutschsprachigen Debütroman. 77 Debüts hatten sich um den Preis beworben, der von einer Leserjury vergeben wird. Zur Preisvereilung am 16. Januar im Literaturhaus spricht Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, ein Grußwort des Senats, Sasha Marianna Salzmann liest aus ihrem Roman.

"Außer sich" ist eines der gefeierten Debüts des Jahres, gelobt für seine Wucht und Direktheit, ausgezeichnet auch schon mit dem Ponto-Preis und auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. Sasha Marianna Salzmann, 1985 in Wolgograd geboren, 1995 mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen, ist als Theaterautorin schon seit Jahren eine Größe. In ihrem Prosadebüt erzählt sie von der Suche nach einer Identität jenseits vordergründiger Zuschreibungen und die Geschichte einer Familie.

Als Alissa zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Anton im Zug von Moskau nach Berlin sitzt, hat sie klebrige Hände von dem fettigen Hähnchen, das sie gegessen haben. Stunden später kotzt sie ihrem Onkel, der gekommen ist, um die Familie abzuholen, zur Begrüßung auf die Schuhe. „Entschuldigung“ soll sie daraufhin sagen, auf Deutsch.
Das fettige Hähnchen und der Brechreiz begleiten sie später auch bei der Einreise in die Türkei. In Berlin hat sie ihr Mathematikstudium geschmissen, weil es sie vom Boxtraining abhält, in Istanbul begibt sie sich auf die Suche nach dem verschwundenen Bruder. Es ist eine Reise in ihre Familiengeschichte, die im Erzählfluss in russischen, jiddischen und türkischen Einsprengseln auch sprachlich geborgen wird. Doch vor allem ist es eine Reise, bei der sich die Grenzen auflösen.

Mutterland, Vaterland, Familie und Geschlecht, all das ist aus der eigenen Geschichte gefallen und muss sich in dieser Stadt außerhalb der Zeit neu finden, wenn sich Alissa nicht verlieren will. Sie beginnt eine Affäre mit der Tänzerin Katüscha, und als die ihr erklärt, keine „Sie“ sondern ein „Er“ zu sein, purzeln im Text nicht nur die Personalpronomen durcheinander. Für Alissa wird diese Begegnung zum Ausgangspunkt radikaler Veränderungen. Dennoch bleibt die Suche nach Anton und dem eigenen Ich brüchig. Alissa reiht ihre „Vielleichts aneinander, Kügelchen für Kügelchen“, bis ihr Möglichkeitsraum am 15. Juli 2016 mit dem Putschversuch in Istanbul geschlossen wird.

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