Montag, 05.11.2018


Lesung mit Richard J. Evans

Vom Streben nach Macht

Richard J. Evans
Mirko Bonne, Foto: Heike Bogenberger, Autorenfotos.com
Mit großen Werken zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und zum Nationalsozialismus wurde Richard J. Evans berühmt. In Hamburg erhielt der Historiker, der bis 2017 an der Universität Cambridge lehrte, die »Medaille für Kunst und Wissenschaft« für die detaillierte Analyse der Hamburger Choleraepidemie von 1892, von der er in seinem Buch »Tod in Hamburg« erzählt. In diesen Tagen ist nun in der Deutschen Verlagsanstalt ein weiteres bahnbrechendes Werk von ihm erschienen: »Das europäische Jahrhundert«. Es ist ein Geschichtsbuch, das auch für Laien verständlich aus verschiedenen Perspektiven ein Zeitalter unter die Lupe nimmt, in dem die Fundamente für vieles gelegt wurden, das Europa bis in die Gegenwart prägt. Richard J. Evans stellt »Das europäische Jahrhundert« im Literaturhaus vor. Moderation und Gespräch: Martin Doerry (»Der SPIEGEL«).

Der Steinmetz Jakob Walter (1788–1864) und die »Nachwehen« der napoleonischen Kriege bilden den Auftakt der großen Erzählung von Richard J. Evans über »The Pursuit of Power / Das Streben nach Macht«. Mit diesem Titel bringt die englische Ausgabe das wesentliche Kennzeichen der Ära zwischen 1815 und 1914 schon im Titel auf den Punkt: Macht ist das Narrativ der Stunde, vor allem staatliche Macht, die das gesamte Jahrhundert über Anlass für Streit ist. Jedes der acht Kapitel des Bandes wird von Evans durch eine signifikante Biografie eingeführt, acht Männer und acht Frauen sollen der großen Geschichte ein menschliches Antlitz geben und den prägenden Prozess des Jahrhunderts verdeutlichen – die Emanzipation »riesiger gesellschaftlicher Gruppen von Unterdrückten«.
Von Jakob Walter wissen wir heute nur, weil er in seinen Lebenserinnerungen erzählt hat, wie er als Fußsoldat des Kaisers Napoleon Bonaparte bis nach Moskau marschierte und völlig verlaust und verdreckt wieder zu Hause in Ellwangen ankam. Vom Schicksal der Leibeigenen erfahren wir im zweiten Kapitel mit Sawwa Dmitrijewitsch Purlewski (1800–1868) und vom »Zeitalter des Gefühls« mit Fredrika Bremer, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine der berühmtesten Schriftstellerinnen Europas war. Für den »Aufstieg der Demokratie« hat Evans mit Emmeline Pankhurst schließlich eine ganz besondere Heldin gefunden: Am 21. Mai 1914 versuchte sie König George V. eine Petition zu überreichen, die das Wahlrecht für Frauen forderte. Eines der bekanntesten Nachrichtenfotos des frühen 20. Jahrhunderts zeigt sie mit in der Luft baumelnden Beinen im Griff eines Polizisten. Das sind einige der Entrees zu den Kapiteln, in denen Richard J. Evans auf über 1000 Seiten ein so unterhaltsames wie detailreiches Panorama des 19. Jahrhundert auffächert und den radikalen Veränderungen in Kultur, Politik und Technik nachspürt, die der Kontinent damals erfuhr.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 20.00 Uhr, € 12,–/8,–


Vortrag

»Thomas Mann und Willy Brandt – Nachdenken über Deutschland«

Hans Rudolf Vaget spricht über die Parallelen in den Gedanken von Thomas Mann und Willy Brandt über die Ursachen der nationalsozialistischen Katastrophe.

Thomas Mann-Gesellschaft Hamburg e.V. in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Vortragsraum, Von-Melle-Park 3,, 19.00 Uhr, Eintritt frei.


Arbeitstreffen

Literatur im Gespräch

Treffen der literarischen Werkstatt Wesselyring. Leitung: Peter Schütt. Ort: Waschhaus, Wesselyring 51, 10.00 Uhr.

Literatur in Hamburg