Mittwoch, 05.12.2018


Lesung Heinz Strunk

Der Sound der Vergeblichkeit




Es geht nicht gut aus. Nie. Heinz Strunk bläst in seinem Erzählband »Das Teemännchen« mit großer Hingabe zur Attacke gegen alles Versöhnliche und Konziliante, erbarmungslos wird bei ihm zum Brandbeschleuniger des Verderbens, worauf man als Ausflucht aus den Zumutungen des Lebens hoffen könnte. Dabei sind die 50 Miniaturen des Bandes genau getaktet, von der kleinen Niederlage, die sich zum Lebensdebakel auswächst, über all die zur Erweiterung der Vorstellungskraft aufgeworfenen körperlichen Bedürftigkeiten bis zur »wundersamen Fügung« in einem finalen »Aufstand der Kleinfahrzeuge«. Es sind Texte, die sich einbrennen, pointiert und direkt, und sie haben durch ihren unerbittlichen Blick auf das Allzumenschliche auch noch den Effekt einer heilsamen Katharsis.

In seinen bisherigen Büchern hat Heinz Strunk, der auch als Musiker und Entertainer sehr erfolgreich ist, vor allem aus seinem eigenen Leben erzählt, in seinem Debüt, dem Bestseller »Fleisch ist mein Gemüse«, von einem Musiker, der mit einer Tanzkapelle durch Norddeutschland tingelt. Skurrile und dabei doch treffende Milieubeschreibungen vor allem aus den gesellschaftlichen Randgebieten sind zum Markenzeichen seiner Literatur geworden.
In seinem Roman »Der goldene Handschuh«, der in diesem Sommer von Fatih Akin verfilmt wurde, leuchtet er mit dem Frauenmörder Fritz Honka die Nachtseite Hamburgs in den 1970er Jahren aus und damit eine nicht allzu lange nach dem Krieg und der Nazi-Diktatur verrohte Gesellschaft. Mit seinem Roman »Jürgen« ist ihm dann erneut ein Bestseller gelungen, der literarisch jedoch nicht an den Vorgänger anknüpfen konnte. Sein Erzählband »Das Teemännchen« ist nun wieder »high end literatur at it’s best«, wie der Autor auf seiner Website »in aller erdenklicher Unbescheidenheit« selbst anmerkt.

Seinen Themen ist Strunk treu geblieben: Alkohol, Sex, Übergewicht, Einsamkeit und Antriebslosigkeit, das ist der Kanon, der in den Prosaminiaturen von wenigen Sätzen bis ein paar Seiten in einem breiten Gesellschaftspanorama der Abgehängten, Ausgestoßenen und Verlorenen angestimmt wird. Ein alternder »Weltstar« gerät in einer Kneipe in St. Pauli an seine Grenzen, das Lebensglück der Imbissbuden-Schönheit Anja geht am »Borstelgrilleck« zu Schanden, die »legendären Albrecht-Brüder« und das »Cleverle« Lothar Späth finden ihr Unglück ebenso wie »Janine« und »Der kleine Herr Diba«, der sein Pech immer schon geahnt hat und endlich »koppheister« in der Toilette abrauscht. Zu großer Form läuft Strunk auf, wenn Realität, Phantasie und Wahnsinn in existenziellen Grenzsituationen ineinander fallen, ob »Über den Wolken«, wo sich ein Mann gefesselt an das Rotorblatt eines Windrades die Seele aus dem Leib kotzt oder in einem Hotelzimmer in Düsseldorf, das sich als »Schwarzes Loch« erweist, in dem nach und nach die persönlichen Dinge und dann auch ein Reisender selbst verschwindet.

Man hofft, mit den Figuren dieser meisterhaften Erzählungen immer wieder, es könnte »alles nur ein schlimmer Traum« gewesen sein oder ein besonders hinterhältiger Treppenwitz. »Weiß man’s?« Bei Heinz »Heinzer« Strunk »sickert die Dunkelheit wie flüssiger Teer durch ein Loch im Universum«, sein Humor ist rabenschwarz. Und wer trotzdem lacht, hat alles richtig gemacht, denn es bleibt der einzige, wenn auch schwache Trost: »Es erlischt, was mal loderte oder wenigstens glomm. Wir kommen aus dem Nichts und verschwinden im Nichts, alles sonst sind fromme Wünsche und infantile Phantastereien.«

Deutsches Schauspielhaus, Kirchenallee 39, 20.00 Uhr, € 22,–/12,–


Lesung und Kommentar

»Große Erzählungen der Weltliteratur«

Der Schauspieler Wolf-Dietrich Sprenger liest aus der Erzählung »Der kleine Schneider und der Hutmacher« von George Simenon. Hanjo Kesting kommentiert.

Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, 20.00 Uhr, € 10,–/8,–


Literatur-Show

»Glitterarische Weihnachtsshow«

Die Literatur-Show »Görlesque« lädt zu einem »besinnlich-berauschenden Abend« mit Keksen, Geschenken, Tanz und Texten der drei »Görls« Anika Mustermann, Melanie Sengbusch und Helene Bockhorst.

Kukuun, Spielbudenplatz 21-22, 20.00 Uhr, € 10,–


Vortrag

»Wohin steuert der Westen? Neue Wege für das 21. Jahrhundert«

Vortrag und Gespräch mit Paul Nolte, Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte, Freie Universität Berlin und Lena Gorelik, Schriftstellerin.

Bucerius Law School, Helmut Schmidt Auditorium, Jungiusstraße 6, 19.00 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung unter https://www.law-school.de/termin/der-westen-wohin-steuert-der-westen-neue-wege-fuer-das-21-jahrhundert/


Lesung für Kinder

»Spaß mit Büchern«

Jutta Nymphius liest aus ihrem Buch »Hotel Wunderbar«. Für Kinder ab 8 Jahren.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 9.30/11.00 Uhr, Eintritt frei. Anmeldung beim Kulturring der Jugend / JIZ erforderlich, Tel.: 040-428 23-4801 /-4827 (Mo. – Do. 9.00 – 17.00 Uhr, Fr. 9.00 – 16.30 Uhr)


Lesebühne

Textlabor Bergedorf

Offene Lesebühne, bei der Texte vorgetragen, gesungen und natürlich auch geslamt werden dürfen. Wer vorlesen möchte, meldet sich ab 18.45 Uhr an.

BeLaMi, Holtenklinkerstr. 26, 19.30 Uhr. Eintritt frei. Weitere Infos gibt es auf der Website des Textlabors unterwww.textlabor-de

Literatur in Hamburg