Montag, 08.04.2019
Lesung mit Siri Hustvedt
Wenn Erinnerung zu einem Messer wird
Siri Hustvedt, Foto: Marion Ettlinger
Sie ist aus der amerikanischen Provinz nach New York gekommen, will Schriftstellerin werden, hat etwas Geld gespart und sich vorgenommen, für ein Jahr an einem Roman zu arbeiten. Über ihrem Schreibtisch hängt ein kluges Zitat aus dem »Tristram Shandy« von Laurence Sterne: »Mit dem Bücherschreiben ist es, wie wenn man ein Lied summt – wenn Sie nur im Ton bleiben«. Sie liest Edmund Husserls »Logische Untersuchungen«, Henri Bergsons »Essay über die Bedeutung des Komischen«, Gedichte von John Ashbery, Frank O‘Hara, James Schuyler und ist so klug, dass man sich schon nach wenigen Seiten fragt, wie diese Belesenheit auf eine Strecke von 400 Seiten auszuhalten sein wird. Aber das mit dem »Ton« klappt dann ganz wunderbar, denn er wird von verschiedenen Stimmen getragen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen. Da ist die Erzählerin, die sich vierzig Jahre später und als anerkannte Schriftstellerin und Wissenschaftlerin an das Jahr in New York erinnert. Und da ist ein Zufallsfund aus jener Zeit, ein verloren geglaubtes Notizbuch mit dem Titel »Mein neues Leben«. In dem Notizbuch schreibt die junge S.H. über ihren Romanhelden Ian Feathers, aber auch von dieser Lucy Brite, die im Apartement neben ihr wohnt und »buchstäblich nur aus Gerede« besteht. »Bin traurig«, brabbelt Lucy vor sich hin, sie pfeift Balladen vom Einsam- und Verlassensein und beginnt irgendwann zu erzählen. S.H. hört durch die papierdünnen Wände mit und braucht das Notizbuch nicht, um sich zu erinnern, was die psalmodierende Nachbarin erzählte, es ist von Misshandlung die Rede, von einem toten Kind, von Mord. Für die junge Studentin wird die Nachbarin zu einer Obsession, bis Lucy sie eines Nachts in ihrer Wohnung vor einem Mann rettet, der versucht, sie zu vergewaltigen. In der Folge wird klar, dass nicht nur S.H. ihre Nachbarin belauscht hatte, und Lucy tatsächlich zu einem Kreis ungewöhnlicher Frauen gehört, die einen seltsamen »Messerkult« pflegen. Siri Hustvedt erzählt in »Damals« davon, wie Erinnerung entsteht – und sich verändert, indem wir Geschichten erzählen. Am Ende ist ihre Geschichte eine andere geworden. Und auch die Erzählerin, die »Verfasserin« ihres Romans, entschwebt in einen wolkenreichen Himmel - mit einem Messer in der Hand.
Deutsches Schauspielhaus, Kirchenallee 39, 20.00 Uhr, € 22,–/14,–
Literatur und Musik
»Kafka hören«
Im Zentrum eines von Klaus Hinrich Stahmer entwickelten Kafka-Abends stehen Kafka-Vertonungen von u.a. Max Brod, György Kurtàg, Matthias Kaul, Theodor W. Adorno, Ernst Krenek, Ron Weidberg, Josef Tal, Tzvi Avni und Ruth Zechlin. Es treten auf: Tanja Becker-Bender, Violine, Einat Aronstein, Elias Wolf, Jaewon Yun und Franziska Bader, Gesang, Alexander Fleischer, Klavier, und Matthias Kaul, Klanginstallation. Ausgewählte Texte von Franz Kafka liest der Schauspieler Burghart Klaußner.Freie Akademie der Künste, Klosterwall 23, 19.00 Uhr, € 12,–/8,–
Lesung
»Die Schmidts – Ein Jahrhundertpaar«
Reiner Lehberger liest aus seinem Buch über Helmut und Loki Schmidt.Inselcafé im Bildungszentrum Tor zu Welt, Krieterstr. 2D, 19.00 Uhr.
Lesung
»Sterne sieht man nur im Dunkeln«
Buchpremiere mit Meike Werkmeister, die ihren neuen Roman vorstellen wird. Musik macht die Sängerin und Songwriterin Julia Kautz. Moderation: Anouk Schollähn.stories! im Falkenriedquartier, Straßenbahnring 1, 19.30 Uhr, € 5,–, Tickets: Anmeldungen@stories-hamburg.de
Lesung
»Der Tod gibt keine Ruhe«
Die Journalistin Bettina Mittelacher und Klaus Püschel, Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, präsentieren ihr Krimi-Sachbuch über „Faszinierende Fälle aus der Rechtsmedizin«.Thalia Buchhandlung im Institut für Rechtsmedizin, UKE, Haus Nord N81, Butenfeld 34, 19.00 Uhr, € 12,–
Arbeitstreffen
Literatur im Gespräch
Treffen der literarischen Werkstatt Wesselyring. Leitung: Peter Schütt.Waschhaus, Wesselyring 51, 10.00 Uhr.