Heute, 10.07.2025
Lesung mit Heinz Strunk
»Zauberberg 2«

Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
Der Erscheinungstermin von Heinz Strunks neuem Roman Ende November war eher ungewöhnlich, doch absolut naheliegend: Im November 2024 vor 100 Jahren ist »Der Zauberberg« von Thomas Mann erschienen. Der weltberühmte Bildungsroman erzählt von Hans Castorp, den es in die abgeschlossene Welt eines Sanatoriums im Hochgebirge verschlägt, das zum Schauplatz für die europäische Befindlichkeit vor dem Ersten Weltkrieg wird und den jungen Helden mit Politik und Philosophie konfrontiert, aber auch mit Liebe, Krankheit und Tod. So wie bei Thomas Mann zum Auftakt des Romans Hans Castorp aus seiner »Vaterstadt« Hamburg aufbricht, begibt sich der ebenfalls junge Held Jonas Heidbrink aus Hamburg bei Heinz Strunk auf eine Reise in eine Klinik. Die befindet sich im »Polenrandgebiet« Mecklenburg-Vorpommerns und grenzt an eine Sumpflandschaft, von der sich der junge, früh mit einem Vermögen gesegnete Erfolgsmensch vorstellt, dass sie sich »bis in die eisigen Weiten Russlands erstreckt«.
Es ist eine kongeniale Übersetzung der erhabenen Bergwelt bei Thomas Mann für den literarischen Kosmos von Heinz Strunk und seinen Themenkanon aus Alkohol, Sex, Langeweile, Einsamkeit und Aussichtslosigkeit. All seinen Überdruss hofft Jonas Heidbrink mit einem dreißigtägigen Aufenthalt in der exklusiven Klinik hinter sich zu lassen. Und tatsächlich scheint Schwester Irene mit ihrer Prognose »alles wird gut« recht zu behalten, obwohl die anfängliche Diagnose niederschmetternd ist. Immerhin erweist sich die Klinik zuerst als ausgesprochen nobler Ort, die Gäste werden exzellent verköstigt und auch sonst ist für Programm gesorgt: Heidbrink findet sich bald in einem Korsett von Visiten und Anwendungen wieder, Tabletten gibt es natürlich auch, nur seine Heilung lässt auf sich warten, an eine Entlassung ist folglich gar nicht zu denken. So reiht sich ein Monat an den anderen, in denen sich die Klinik zuerst unmerklich in ein »Narrenspital« verwandelt, bis die »endlos strapazierte Hoffnung« von einer »schockierenden Neuigkeit« abgelöst wird und der Kuraufenthalt unvermittelt endet.
Bei Thomas Mann ist es der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, durch den sein Held mit einem »Donnerschlag« aus der Klinik entlassen wird, seine Spuren verlieren sich schließlich im Schlachtengetümmel, wo ihm der Erzähler noch ein »Lebewohl Hans Castorp« nachruft, um dann festzuhalten: »Deine Geschichte ist aus«. Diesen Abschiedsspruch hat sich Heinz Strunk (passt ja auch super) für seine großartige Parodie des Romans bei Thomas Mann abgeguckt, um seinen Helden daraufhin (Strunk bleibt halt Strunk) schön kitschig für einen Akt finaler Selbstermächtigung »unterm Sternenhimmel« in der Ostsee baden gehen zu lassen.
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