6 14.08.2021


Benjamin Maack erzählt von seiner Depression

Wenn das Ich plötzlich verloren geht

Benjamin Maack
Benjamin Maack, Foto: Heike Steinweg, Suhrkamp Verlag
Sein zuletzt erschienener Erzählband »Monster« (2012) wurde gleich mehrfach für seine »wirklich brillanten Geschichten« (WDR) ausgezeichnet, 2013 erhielt er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt den 3sat-Preis für seinen Text »Wie man einen Käfer richtig fängt«, zuletzt wurde er 2016 mit dem Förderpreis zum Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet. Gleichzeitig kletterte Benjamin Maack als Journalist auf der Karriereleiter nach oben, bis er völlig unvermittelt gleich mehrere Gänge zurückschalten musste. Sein Buch »Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein« (Suhrkamp Verlag) erklärt, warum: Es ist das berührende Protokoll einer Depression, hoch poetisch und von stupender literarischer Raffinesse und Vielgestaltigkeit. Auf der Open Air-Bühne des Altonaer Rathauses stellt er sein Buch vor.

Am Anfang denkt er, dass er das jetzt eben »auch mal erlebt«: »Klinik, Medikamente, Therapie«, das übersetzt sich fast nahtlos in die Trias »erlebt, verstanden, überwunden«. So geht einem das bei diesem Buch auf den ersten Seiten auch als Leser. Man erfährt von einem irgendwie »interessanten Experiment« und davon, dass manches »noch ein ziemlicher Witz« war, man schmunzelt über dies und jenes und freut sich über das »Happy End«. Aber hey, war da nicht noch was? Richtig, es geht erst los.

Dieses Protokoll setzt sich aus »Zweihundertzwanzig« Einträgen zusammen, die ein ganzes Spektrum literarischer Formen durchspielen: Erzählung, Prosa-Miniatur, konkrete Poesie, Gedicht, Witz, Szenisches und mehr. Benjamin Maack hat versucht, sein Befinden stets in eine adäquate literarische Ausdrucksform zu übersetzen und so einen grandiosen Formenreigen geschaffen. In einem »Disclaimer« warnt er zwar davor, dass »am Ende nicht alles gut« wird, aber wann wird es das schon?

Völlig falsch liegt er, wenn er allen, die Geschichten mögen, empfiehlt, das Buch lieber wegzulegen, denn dieses Buch hat eine Geschichte: Es erzählt von einem, der sein Ich verliert und verzweifelt versucht, es zurückzugewinnen. Es erzählt von all den Medikamenten, die er deshalb einnimmt, aber auch von einer Eichhörnchenfamilie und Bienenstöcken, dem Versuch, Britney Spears abzupausen und dem Wunsch, sich selbst umzubringen, der ihm irgendwann »geradezu ranschmeißerisch poetisch« erscheint. Zum Glück überwiegen am Ende die lichteren Momente, und Benjamin Maack hat seine Notizen in eine Form bringen können, die sie über den Psychiatrie- und Krankenbericht und das persönliche Schicksal hinaus zu einem Ereignis machen. Sein Memoir ist ein Glanzlicht unter den Romanen und Erzählbänden, die das erschöpfte und handlungsunfähige Selbst in der Literatur thematisieren.

➝ Buchhandlung Christiansen und Zeise Kinos im Altonaer Rathaus (Innenhof), Platz der Republik 1, 18.00 Uhr, € 10,-/9,-, Kartenvorverkauf in der Buchhandlung Christiansen, auf zeise.de und an der Abendkasse.




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