Samstag, 15.01.2022


Performative Lesung mit Olivia Wenzel

Was alles in ein Leben passt

Olivia Wenzel
Olivia Wenzel, Foto: Juliane Werner
Bekannt wurde Olivia zuerst Theaterautorin und Musikerin, ihre Stücke wurden an den Münchner Kammerspielen, am Hamburger Thalia Theater und am Deutschen Theater Berlin aufgeführt, sie ist als Performerin mit Kollektiven wie »vorschlag:hammer« aufgetreten und als Musikerin unter dem Namen Otis Foulie. Ein großer Erfolg wurde dann ihr 2020 erschienener Debütroman »1000 Serpentinen Angst« (S. Fischer). Es ist eine höchst kunstvolle Romancollage, in der die 1985 in Weimar geborene Autorin von einem ergreifenden Parforceritt ihrer jungen Protagonistin erzählt, einer queeren und schwarzen Frau aus dem Osten. Auf Kampnagel stellt Olivia Wenzel das Buch in einer Performativen Lesung vor.

Wo ihre nächsten Verwandten leben, weiß sie nicht so genau, und eine »richtige Familie, also im biologischen Sinne«, hat sie nicht. Jedenfalls behauptet die junge Ich-Erzählerin das von sich, und in gewisser Weise stimmt es schon auch, obwohl sie nach und nach doch eine Familie vorstellt: Mit ihrem Vater ist sie nur sporadisch in Kontakt, er lebt in Angola, ihre Mutter hat sie zum letzten Mal vor Jahren bei der Beerdigung ihres Zwillingsbruders gesehen, und ihre Großmutter ist eine alte Frau, mit der offene Gespräche nicht möglich sind. Kein Wunder, dass sie tief verunsichert ist, bald in allen möglichen Situationen nur noch Angst empfindet und den alltäglichen Rassismus, unter dem sie seit ihrer Kindheit in einer ostdeutschen Kleinstadt leidet, kaum noch erträgt. Obwohl sie gleichzeitig festellt: »Ich habe mehr Privilegien als je eine Person in meiner Familie hatte.« Es ist eine »herzergreifende« Geschichte über »Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit, über Liebe und Angst«, heißt es dazu im Klappentext des Romans. Das ist richtig und klingt, wenn man diesen Roman gelesen hat, doch irgendwie falsch. Olivia Wenzel lässt ihre Protagonistin in drei Episoden erzählen, von denen zwei fast ausschließlich aus langen fingierten Gesprächen bestehen, die in Berlin, in New York, in Vietnam und Marokko geführt werden. Sie changieren meisterhaft zwischen Monolog und Dialog und zoomen durch die saloppe mündliche Sprache sehr direkt an die Geschehnisse heran. Wie sehr sie sich in New York »öffentlich gemocht« und in Berlin rassistisch angemacht fühlt, wird dadurch für die Lesenden in seiner ganzen emotionalen Dimension nachvollziehbar. Im Mittelteil hat Olivia Wenzel diese Dramaturgie des Textgefüges dann klug zurückgenommen und erzählt in Bildern vor allem aus der Kindheit der Protagonistin. Am Ende und nach einem weiteren schnellen Textteil über die »Fluchtpunkte« der Erzählerin stellt man fast ein wenig verwundert fest, dass alles, was da gesagt wurde, »in ein einziges Leben passt und dass dieses Leben dennoch ein gewöhnliches und gutes ist«.

➝ Kampnagel, K6, Jarrestr. 20, 20.00 Uhr, € 12,–/9,–


Marionettentheater

»Der gestiefelte Kater«

Thomas Zürn hat den gestiefelten Kater für das klassische Marionettentheater inszeniert und gemeinsam mit Diana Skoda in Szene gesetzt. Sie präsentieren mit ihren kunstvoll gestalteten Marionetten das bekannte Volksmärchen in einer ursprünglichen, komödiantischen und zeitlosen Form mit Live-Musik. Die Musik zum Stück komponierte die Hamburger Komponistin Christine Brückner. Für Erwachsene und Kinder ab 4 Jahren.

Mit seinem letzten Geld schenkt ein armer Müllersohn seinem scheinbar gänzlich nutzlosen Kater nicht nur ein paar Stiefel sondern auch sein Vertrauen. Der zeigt ihm dann mit List und Witz den Weg ins große Glück. Der Müllersohn und sein geerbter Kater, der sinnbildlich für positive Lebensenergie und Lebensfreude steht, durchleben gemeinsam diesen Weg: Loslassen – sich selbst vertrauen – sich aufrichten – den Selbstwert finden – sich für Gerechtigkeit und Freiheit einsetzen – den bösen Zauberer (das alter ego des Katers) besiegen, um am Ende das Glück in Form von Liebe und Reichtum zu finden.

Jenisch Haus, Baron-Voght-Straße 50, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr, € 20,–/15,–, Reservierungen, Info und Termine im Überblick: Marionettentheater Thomas Zürn, Tel. 05861-3399979 oder 0175-3824929, t.zuern(at)marionetten-spieler.de, marionetten-spieler.de
Weitere Vorstellungen: 16.01.



23.12.2021 | Literatur in Hamburg
Franz Kafka »Die Zeichnungen«

Das große Unbekannte im Werk von Franz Kafka

© The Literary Estate of Max Brod, National Library of Israel, Jerusalem, Foto: Ardon Bar Hama
Zeichnung von Franz Kafka, © The Literary Estate of Max Brod, National Library of Israel, Jerusalem, Foto: Ardon Bar Hama
Jahrzehntelang blieb jener Teil des Nachlasses von Franz Kafka im Dunkel eines Banksafes in Zürich, den sein Freund und Nachlassverwalter Max Brod schon zu seinen Lebzeiten weitervererbt hatte. Im Sommer 2019 endete ein skurriler Erbstreit dann zugunsten der israelischen Nationalbibliothek. Die Erwartungen der Fachwelt an das, was man in dem Safe finden würde, waren nicht allzu groß. Nur für das weitgehend unbekannte Skizzenheft mit Kafkas Zeichnungen, das sich in dem Konvolut befand, hatte schon Max Brod große Neugier geweckt. Jetzt sind diese Zeichnungen erstmals bei C.H Beck erschienen – der Verlag spricht von einer »Weltsensation«.


01.12.2021 | Literatur in Hamburg
Asal Dardans »Betrachtungen einer Barbarin«

Direkt, nah und mit großer Lust am Dissens

Asal Dardan
Asal Dardan, Foto: Sarah Berger
Eines der Sachbücher des Jahres 2021 ist »Betrachtungen einer Barbarin« von Asal Dardan, nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis, brillant geschrieben und oft besprochen. Es ist ein Buch, das sich leicht in den aktuellen identitätspolitischen Debatten um Zugehörigkeit und das Anderssein verorten, im Verbund mit anderen Büchern zum Thema labeln und als aktuellen Debattenbeitrag diskutieren lässt. Zum Ereignis und zum Leseerlebnis werden die zehn Essays des Bandes, weil Asal Dardan ganz persönliche und immer wieder auch intime Beobachtungen aus ihrem Leben mit politisch-gesellschaftlichen Analysen verbindet.


28.11.2021 | Literatur in Hamburg
Olli Jalonens »Die Himmelskugel«

An der Nahstelle einer neuen Zeit

Olli Jalonen
Olli Jalonen, Foto: Pekka Nieminen
Es ist ein Heldenepos, ein toller Abenteuer- und Wissenschaftsroman und eines der Lesehighlights aus dem Bücherherbst: Der finnische Schriftsteller Olli Jalonen erzählt in seinem Roman »Die Himmelskugel« (mare Verlag) aus der Perspektive eines Jungen aus einfachen Verhältnissen von einem epochalen Umbruch in der Geschichte Europas und Nordamerikas. Das Zeitalter der Aufklärung und ihre Hinwendung zu rationalem Denken, zur Urteilsinstanz der Vernunft und zu den Naturwissenschaften hat gerade begonnen. Gleichzeitig wird kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg inbrünstig wie eh und je im Namen des Glaubens gekämpft, tyrannisiert und gemordet.


18.10.2021 | Literatur in Hamburg
Der neue Roman von Dietmar Dath

»Gentzen oder: Betrunken aufräumen«

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Dietmnar Dath, Foto: Hanke Wilsmann
Einer der literarisch und intellektuell herausforderndsten Romane des Jahres ist »Gentzen oder: Betrunken aufräumen« von Dietmar Dath. Es handelt sich um einen Genre-Roman und Science-Fiction-Roman, der Gegenwart und Zukunft in einem Möglichkeitsraum miteinander verknüpft, in dem von einer Gesellschaft geträumt und erzählt wird, die wir noch nicht kennen. Der Ausgangspunkt des auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis nominierten Romans ist dabei einer der ganz großen und nicht sehr bekannten Mathematiker und Logiker des 20. Jahrhunderts: Gerhard Gentzen.


18.10.2021 | Literatur in Hamburg
Bernd Brunners »Buch der Nacht«

Nachtlektüre

Bernd Brunner
Bernd Brunner, Foto: privat
Der in Berlin und Istanbul lebende Autor Bernd Brunner findet seine Themen stets an der Schnittstelle von Kultur-, Wissenschafts- und Mentalitätsgeschichte, mal vermittelt er in »Ornithomania« Staunens- und Wissenswertes aus der Welt der Vogelkunde, dann erzählt er in »Als die Winter noch Winter waren« die »Geschichte einer Jahreszeit« oder schreibt ein »Granatapfelbuch«. Zu einem grandiosen Streifzug entlang einer Himmelsrichtung hat er mit seiner Kulturgeschichte »Die Erfindung des Nordens« erst vor zwei Jahren eingeladen und taucht mit seinem neuen »Buch der Nacht« (Galiani Berlin) nun tief ein in eine Zeit, in der sich die gewohnten Koordinaten unserer Wahrnehmung verschieben.


18.10.2021 | Literatur in Hamburg
Svenja Flaßpöhlers »Sensibel«

Empfindlichkeit, Zumutbares und andere Grenzfälle

Svenja Flaßpoehler (c) Johanna Ruebel
Svenja Flaßpöhler, Foto: Johanna Ruebel
Mit jedem gesellschaftlichen Paradigmenwechsel gibt es auch Begriffe, die neu aufkommen oder ins Zentrum von Debatten rücken. Manche bezeichnen den Epochenwechsel selbst, so wie die 2020 zum »Wort des Jahres« gekürte »Corona-Pandemie«, anderes schlummert am Rande und ist dann plötzlich omnipräsent. So ist es auch bei einem Wort aus der Physik, das zum Synonym für die Abwehrkraft in der Krise wurde: Resilienz. In den Berührungspunkten von Resilienz und Empfindlichkeit sieht die Philosophin Svenja Flaßpöhler in ihrem neuen Buch »Sensibel. Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren« die Brücke zur Überwindung der Konflikte, die gegenwärtig die Gesellschaft spalten.


18.10.2021 | Literatur in Hamburg
Dietmar Daths »Gentzen oder: Betrunken aufräumen«

Ein Möglichkeitsraum für Zukunftsfragen

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Dietmnar Dath, Foto: Hanke Wilsmann
Einer der literarisch und intellektuell herausforderndsten Romane des Jahres ist »Gentzen oder: Betrunken aufräumen« von Dietmar Dath. Es handelt sich um einen Genre-Roman und Science-Fiction-Roman, der Gegenwart und Zukunft in einem Möglichkeitsraum miteinander verknüpft, in dem von einer Gesellschaft geträumt und erzählt wird, die wir noch nicht kennen. Der Ausgangspunkt des auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis nominierten Romans ist dabei einer der ganz großen und doch nicht sehr bekannten Mathematiker und Logiker des 20. Jahrhunderts: Gerhard Gentzen.


28.09.2021 | Literatur in Hamburg
Tanja Schwarz´ Erzählband »In neuem Licht«

Harte Tage in Wilhelmsburg

Tanja Schwarz
Tanja Schwarz, Foto: Rebecca Hoppé
Sie sind ungefähr mittelalt, sie leben ungefähr in der Mitte der Gesellschaft, sie kommen mittelprächtig klar und sind voller Sehnsucht nach einem weiteren Horizont, einem größeren Ausschnitt des Himmels, einem leichteren Hier und Jetzt. Diesen ganz alltäglichen Heldinnen aus dem liberalen, oft prekären Bürgertum gibt Tanja Schwarz in ihrem neuen Erzählband »In neuem Licht« (hanserblau) eine Stimme. Es sind einfach großartige Erzählungen, die in einer präzisen und oft hochpoetischen Sprache die ganze existenzielle Wucht und Tiefe persönlicher Krisen ausloten und dabei ganz unsentimental und ideologiefrei auch Politik und Gesellschaft in den Blick nehmen.


28.09.2021 | Literatur in Hamburg
Michael Köhlmeiers neuer Roman »Matou«

Die sieben Leben des Monsieur Matou

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier, Foto: Peter Andreas Hassiepen
Es sei »die summa« seines Werkes, er habe aus allem, was er bisher gemacht habe, dafür gelernt, sagt Michael Köhlmeier von seinem neuen Roman. Und das heißt bei einem wie ihm schon etwas, schließlich umfasst allein seine Prosa über 50 Bücher, er war zudem als Hörspielautor erfolgreich, hat die »Sagen des klassischen Altertums« nacherzählt und das »Nibelungenlied«, und ist ein großer Fan und Erfinder von Märchen. Dazu passt auch das Setting von »Matou« (Hanser), in dem ein sprechender Kater auf fast tausend Seiten aus seinen sieben Leben erzählt.


28.09.2021 | Literatur in Hamburg
»Hard Land« von Benedict Wells

Die 49 Geheimnisse von Grady

Benedict Wells
Benedict Wells, Foto: Roger Eberhard
Mit so großer Aufmerksamkeit wird bei kaum einem anderen deutschsprachigen Schriftsteller ein neuer Roman begleitet wie bei Benedict Wells. Sogar das »heute journal« des ZDF berichtete in einem längeren Beitrag, als in diesem Frühjahr »Hard Land« erschien, sein bisher fünfter Roman, der bis heute in den Bestseller-Listen steht. Er spielt 1985 in Grady, einem Kaff in Missouri, erzählt eine beinahe klassische Coming-of-Age-Geschichte und ist gleichzeig eine wundervolle Hommage auf die Musik und die Filme der Achtziger.


16.09.2021 | Literatur in Hamburg
Vier Bücher über den Klimawandel

Der Krise auf der Spur

Luisa Neubauer und Bernd Ulrich
Luisa Neubauer, eine der Hauptaktivist:innen von Fridays for Future, hat sich mit Bernd Ulrich, Vize-Chefredakteur der ZEIT, zum Gespräch über den Klimawandel getroffen. Foto: Axel Martens
In einer ganzen Flut von neuen Büchern in diesem Herbst stehen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Klimawandel im Fokus. Ein vielgelesener Bestseller ist Frank Schätzings Buch »Was, wenn wir einfach die Welt retten?«, der zum »Handeln in der Klimakrise« auffordert. Der Krise auf der Spur sind auch Eckart von Hirschhausen mit seinem opulenten Wälzer »Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben«, Mojib Latif, der in »Heißzeit« schörkellos über den Klimawandel informiert, während Luisa Neubauer und Bernd Ulrich in ihrem Buch »Noch haben wir die Wahl« auch die Akteure in der Politik, ihre Aufgaben und Versäumnisse benennen.


04.09.2021 | Literatur in Hamburg
Peter Stamms neuer Roman »Das Archiv der Gefühle«

Ein Leben in Erinnerungen

Peter Stamm
Peter Stamm, Foto: Salon du livre, Genève, 2012, Ludovic Péron
Peter Stamm meldet sich nach seinem Erzählband »Wenn es dunkel wird« (2020) mit einem neuen Roman zurück, er heißt »Das Archiv der Gefühle« (S. Fischer) und hat eine Ausgangskonstellation, die schon klassisch für seine Literatur ist: Der Archivar eines großen Pressehauses steht an einem Wendepunkt seines Lebens.


10.08.2021 | Literatur in Hamburg
Andreas Mosters neuer Roman »Kleine Paläste«

Ein unaussprechlicher Skandal

Andreas Moster
Andreas Moster, Foto: Teja Sauer
Im gutbürgerlichen Quartier einer Kleinstadt, wo sich schmucke »Kleine Paläste« (Arche) wie an einer Perlenschnur aufreihen, der Rasen im Vorgarten akkurat getrimmt und die Hecke gründlich auf Hab-Acht gestutzt ist, spielt der neue Roman von Andreas Moster. Den Schauplatz kennt man hierzulande vor allem aus amerikanischen Serien, Romanen und Erzählungen. In ihnen bildet das vermeintliche Idyll beschaulicher Kleinstädte oft das Setting für ein großes Drama. Das entfaltet sich ganz beiläufig auch in diesem wunderbar fabulierfreudigen Roman, der in mehreren »Geisterstunden« zwei Nachbarfamilien für die große Abrechnung über einen unaussprechlichen Skandal zusammenruft.


10.06.2021 | Literatur in Hamburg
Mathias Enards neuer Roman »Das Jahresbankett der Totengräber«

Der unaufhaltsame Lauf der Dinge

Mathias Enard
Mathias Enard, Foto: Pierre_Marquès
Mit dem inneren Monolog eines Kriegsveteranen aus dem Jugoslawienkrieg, der sich in einem einzigen Satz über sagenhafte 500 Seiten erstreckt, wurde der französische Schriftsteller Mathias Enard 2008 international bekannt. Auf »Zone«, so heißt der Roman, folgte »Kompass«, eine leidenschaftliche Beschwörung der jahrhundertelangen Passion des Westens für die orientalische Kultur. Für den Roman erhielt er in Frankreich den Prix Goncourt, und in der deutschen Literaturkritik wurde über einen Klassiker gejubelt. In diesem Sommer ist nun »Das Jahresbankett der Totengräber« (Hanser) in der deutschen Übersetzung von Holger Fock und Sabine Müller erschienen, ein Dorfroman »für die wilden Denker«, wie es in der Widmung heißt. Es ist erneut ein höchst kunstvoll erzähltes Meisterwerk.

13.05.2021 | Literatur in Hamburg
Judith Hermanns Roman »Daheim«

Vom Glück der Veränderung

Judith Hermann
Judith Hermann, Foto: Andreas Labes
Wo und in welcher Welt sind wir da eigentlich? In der Gegenwart, in der Zukunft? So deutlich ist und wird das nicht. Es gibt eine nicht näher beschriebene Bedrohung, die scheinbar alles und ausnahmslos jeden bestimmt. Es regnet nicht. Oft ist es heiß. Dennoch spielt dieser Roman in einer Idylle, in der sich die Sehnsucht auf geheimnisvolle Weise erfüllt und das, obwohl die Liebe so fragil und verloren bleibt. Ein Zwischenreich, kein Zuhause und keine Fremde, das ist der Ort, an dem Judith Hermann das Figurenensemble ihres neuen Romans zusammenruft. Und sie alle sind an diesem Ort irgendwie »Daheim« (S. Fischer).

04.05.2021 | Literatur in Hamburg
Helga Schuberts Erzählband »Vom Aufstehen«

Eine andere Zuflucht

Helga Schubert
Helga Schubert, Foto: Renate von Mangold
1980 war Helga Schubert schon einmal eingeladen, doch damals durfte sie nicht aus der DDR ausreisen und verpasste den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt. 40 Jahre später hat die 1940 in Berlin geborene Schriftstellerin dann noch einmal eine Chance erhalten – und wurde prompt mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis 2020 ausgezeichnet. In diesem Frühjahr ist der Gewinnertext nun in einem Sammelband mit 29 Erzählungen erschienen: »Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten« (DTV).

06.04.2021 | Literatur in Hamburg
Das Hamburger Jahrbuch für Literatur ZIEGEL #17

Vom Glück unendlicher Weiten

Hamburger Jahrbuch für Literatur
Das Hamburger Jahrbuch für Literatur ZIEGEL #17, Foto: Timo Ruppel
Während die Welt im vergangenen Jahr abrupt ins Stocken geraten und noch immer weit davon entfernt ist, wieder in einen Normalmodus zurück zu finden, ist das Hamburger Jahrbuch für Literatur ZIEGEL ganz unerschrocken aufgebrochen: Mit dem Credo »Wir sind Astronauten« hat sich die in diesem April neu erschienene 17. Ausgabe der im deutschsprachigen Raum einmaligen Anthologie aufgemacht, um Zukunftsräume zu erkunden. Und das Weltall war dafür gerade noch groß genug. Es geht schließlich vor allem um die Träume, die uns umtreiben, um unsere Vorstellungen von der Welt und dabei dann natürlich um außergewöhnliche Tiere, um die Gespenster unserer Zeit, um stille Beobachtungen von Menschen, die manchmal wie Aliens erscheinen, aber auch um die kleinen Dinge, also das, was stets noch in die Westentasche passt.

01.04.2021 | Literatur in Hamburg
Steffen Kopetzkys neuer Roman »Monschau«

Katastrophenbild mit Hoffnungsschimmer

Steffen Kopetzky
Foto: Steffen Kopetzky, Foto: Marc Reimann
Die Verknüpfung von präzise recherchierten historischen Themen mit stets durch einen Anflug von Ironie gebrochenen fiktiven Geschichten ist das Markenzeichen der Romane von Steffen Kopetzky. In seinem vielgelobten Abenteuerroman »Risiko« (2015) folgte er einer legendären Geheimexpedition des Deutschen Reichs an den Hindukusch, im Zentrum seines zuletzt erschienenen Romans »Propaganda« (2020) steht eine der größten Katastrophen im Zweiten Weltkrieg, die Schlacht im Hürtgenwald. Ganz in der Nähe des Kriegsschauplatzes spielt nun nicht ganz zwei Jahrzehnte später sein neuer Roman »Monschau« (Rowohlt). Er erzählt von einem Ereignis, das ebenfalls weltweites Aufsehen erregte.

29.03.2021 | Literatur in Hamburg
Thea Dorns Briefroman

Sechs Fenster zum Trost

Thea Dorn
Thea Dorn, Foto: Peter Rigaud
Bekannt wurde Thea Dorn vor allem als Moderatorin von Literatursendungen im Fernsehen, sie ist Gastgeberin der ZDF-Sendung »Das Literarische Quartett«, hat aber auch schon mit großem Erfolg Krimis, Sachbücher und Fernsehfilme geschrieben und ist zudem eine gewitzte Philosophin. In ihrem neuen Briefroman »Trost« (Penguin) stellt sie sich jenen Fragen, die uns derzeit alle mehr oder weniger umtreiben: Was hilft jetzt noch? Was lässt uns hoffen? Und wo finden wir Zuversicht und Zuwendung?

19.03.2021 | Literatur in Hamburg
Simon Urbans Roman »Wie alles begann und wer dabei umkam«

Alles, was recht ist

Simon Urban
Foto: Simon Urban, Foto: Tara Wolff
Seinen ersten Prozess strengt der Held dieses Romans schon im zarten Alter von 13 Jahren an. Als Ankläger, Anwalt und Richter in Personalunion inszeniert er ein Verfahren gegen seine tyrannische Großmutter. Sie wird wegen mehrfachen Mordversuchs und bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld zum Tode verurteilt. Bei diesem Auftakt von Simon Urbans »Wie alles begann und wer dabei umkam« (Kiepenheuer & Witsch) schmunzelt man noch über die Gewitztheit und die Phantasie des Ich-Erzählers. Doch ganz so leicht kommen die Leser*innen dieses virtuosen Schelmenromans nicht davon, denn es geht um alles, was Recht ist – und damit auch um die ganz praktische Frage nach der angemessenen Rache.

08.03.2021 | Literatur in Hamburg
Simone Buchholz´ neuer Krimi »River Clyde«

Mit Chastity in Glasgow

Simone Buchholz
Foto: Simone Buchholz, Foto: Gerald von Foris
Mit »Revolverherz« ging es los, das war 2009, es gab eine Sturmwarnung, während die Staatsanwältin Chastity Riley zum Auftakt den Tatort an der Elbe inspizierte. In diesem Frühjahr hat Simone Buchholz nun den neunten Fall für ihre Ermittlerin vorgelegt, die in dem Ruf steht »Deutschlands härteste, schnoddrigste Krimiheldin« (»Die Welt«) zu sein. Sie hat in einem Familienclan ermittelt und in der Welt der Verlagshäuser und Kaderschmieden, zuletzt ist es in »Hotel Cartagena« dann im Drogenmilieu so dick gekommen, dass Chastity einfach raus musste. In Glasgow begegnen wir ihr wieder, am »River Clyde« (Suhrkamp), während in St. Pauli eine »monströse Scheiße« passiert.