Montag, 29.06.2009


Fichte-Preis für Karen Duve

Ausgezeichnet!

Für Literaturkritiker, die neue Romane schon gern mal im Schnelldurchlauf studieren, ist dieses Buch eine Bürde, denn man muss sich Zeit dafür nehmen, ob man sie gerade hat oder nicht. Wer sich also mal eben vor dem Einschlafen "querlesend" mit ein paar Seiten von Karen Duves Roman "Taxi" in den verdienten Schlaf lesen will, sei gewarnt: Mit Alex, der jungen Erzählerin und Heldin, die uns in diesem Roman mit der „Zwodoppelvier“ zu einer Reise durch das nächtliche Hamburg einlädt, ist die Morgendämmerung viel schneller in Sicht als ein Arbeitstag sich bewältigen lässt.
Eine ziellose Jugend, eine spießige Familie, die Ausbildung abgebrochen, keine Kohle auf der Naht, aber einen IQ von 132, das sind Qualifikationen, bei denen die Annonce „Taxifahrerin gesucht“ zum Rettungsanker manch zielloser Existenz wird. Und Alex Herwig erfüllt all diese Qualifikationen mit Bravour, nur das für den Taxiberuf unerlässliche Gedächtnis für Straßennamen ist ihr nicht gegeben. Macht aber gar nix, denn Alex trifft auf einen der Weiberwelt gnädig gesinnten Prüfer und sitzt schon kurz darauf in einem Taxi für das Unternehmen „Mergolan“, wo sie sich alsbald mit der Frage konfrontiert sieht:: „Ja, sagen Sie mal, haben Sie denn gar keine Angst?“ Hat sie natürlich, sogar sehr, denn es ist ja doch peinlich, wenn man gleich beim ersten Fahrgast überhaupt keinen Plan hat, wo die Reise hingeht. Ansonsten fährt Alex lieber nachts, weil sie sich davon mehr „Abenteuer“ verspricht. Das bekommt sie in ihrem neuen Job dann reichlich geboten, mit allem drum und dran sogar. Einen Freund hat sie bald auch, der heißt Dietrich, ist eigentlich (verkannter) Künstler und gehört zu einer ganzen Kollegen-Clique aus Leuten, die alle irgendwie in ein falsches Leben als Taxifahrer geraten sind und doch das einzig richtige tun. Genau wie Alex. Für einige Jahre läuft ihr Leben als Taxifahrerin sogar ziemlich glatt, auch wenn die Schichten kürzer werden, die Kundschaft unangenehmer und sie schon aus Tradition an die falschen Männer gerät. Wie und warum am Ende dann ausgerechnet ein Schimpanse dafür sorgt, dass die „Zwodoppelvier“ und mit ihr Alex noch einmal zu großer Form aufläuft, soll hier nicht verraten werden.
Wer nicht selber lesen will, geht ins Literaturhaus. Dort wird Karen Duve mit dem Hubert-Fichte-Preis ausgezeichnet, mit dem die Hansestadt Hamburg Autorinnen und Autoren ehrt, deren literarisches Werk eine deutliche Beziehung zu Hamburg erkennen lässt. Ausgezeichnet wurden bisher u.a. Brigitte Kronauer, Peer Hultberg und Frank Schulz. Karen Duve erhält den Preis für ihr Gesamtwerk unter besonderer Würdigung ihres Romans „Taxi“. In der Begründung der Jury für die Preisvergabe heißt es: „Karen Duve schafft mit dem Roman ‘Taxi’ mitten im nächtlichen Hamburg ein genaues Gelände für das beschleunigte Leben zwischen Überschwang und Ernüchterung. Das Taxi gehört zur Großstadt, es steht für Jargon und Jazz, Tempo und Tatort. Mit unerschütterlicher Ironie hintertreibt Duve dabei jedes Klischee und jede Vereinfachung.“

Für die Verleihungsveranstaltung im Literaturhaus, bei der Karen Duve aus "Taxi" lesen wird, gibt es noch Restplätze.
Der Eintritt ist frei. Aber man muss sich unter Telefon 040-22 70 20 14 anmelden.

Eine Laudatio spricht Dr. Volker Hage.



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