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Montag 20.11.2023
Das Festival für Literatur aus dem Norden
Nordische Literaturtage
Ia Genberg, Foto: Sara Mac Key
Es ist ein kleines und feines Festival, das in zweijährigem Rhythmus im Herbst im Hamburger Literaturhaus stattfindet und einen so aktuellen wie hochkarätigen Querschnitt der Literatur aus dem Norden präsentiert. In diesem Jahr sind Solvej Balle, Monika Fagerholm, Helga Flatland, Ia Genberg, Hallgrímur Helgason, Johanne Lykke Holm, Luka Holmegaard, Auður Jónsdóttir, Roskva Koritzinsky und Pirkko Saisio aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden an den vier Festivalabenden zu Gast, die von einem Leseclub, einem Übersetzungsworkshop und dem Branchentreff »Fokus Schweden« begleitet werden.
Mit einem sehr persönlichen Buch über Mode, Rollenbilder und darüber, wie wir uns selbst und andere sehen, das auch in Deutschland hymnisch gefeiert wurde, gastiert am ersten Festivalabend Luka Homegaard aus Dänemark mit seinem Übersetzer André Wilkening im Literaturhaus. In genreübergreifenden, erzählerischen und essayistischen Texten erkundet Homegaard die Rolle der Kleidung und das Wechselspiel der Geschlechter. Von einem »Erzählkunstwerk« schwärmte Verena Luecken in der FAZ. Der literarische Höhepunkt der Nordischen Literaturtage in diesem Jahr dürfte aber der Festival-Mittwoch werden, an dem Ia Genberg und Monika Fagerholm (22.11.) mit ihren neuen Romanen zu Gast sind.
Wie erzählen wir unser Leben? Das ist die Ausgangsfrage von Ia Genbergs Roman »Die Details« (Rowohlt), der mit dem wichtigsten schwedischen Literaturpreis, dem Augustpris, ausgezeichnet wurde und in 28 Ländern erscheint, auf Deutsch in einer Übersetzung von Stefan Pluschkat. Es würde nicht viel in ihrem Buch passieren, erklärte die Autorin in einem Interview für »ttt – titel, thesen, temperamente«, es habe kein großes Thema und wenn es einem nicht gefiele, sei man wenigstens schnell durch. Das Understatement, mit dem Ia Genberg von ihrem funkelnden Roman erzählt, kann man auch als feinen Hinweis darauf verstehen, wie wichtig die sehr präzise Sprache und der melancholische Tonfall des Romans sind. Gleichzeitig ist auch die Ich-Erzählerin des Romans nur sichtbar durch vier Menschen, die ihr Leben geprägt haben und von denen sie in vier Kapiteln erzählt. Die Chronologie der Ereignisse erscheint ihr dabei unbedeutend, wichtig sind »die Details, die Verdichtung, das Wie, das Was«.
Zu den bedeutendsten skandinavischen Autorinnen der Gegenwart gehört die finnlandschwedische Schriftstellerin Monika Fagerholm. Für ihren Roman »Wer hat Bambi getötet?« (Residenz) wurde sie mit dem Literaturpreis des Nordischen Rates 2020 ausgezeichnet, ihre deutsche Übersetzerin Antje Rávik Strubel, mit der sie den Roman im Literaturhaus vorstellen wird, war im Frühjahr in der Kategorie Übersetzung für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Der Roman erzählt von einer Gruppenvergewaltigung, nach der sich über die einst so heitere Idylle am See eines Villenviertels bei Helsinki düsteres Schweigen legt, Familien zerbrechen und Karrieren enden. Wie nähert man sich einem so schrecklich ernsten Thema an, welche Sprache gibt es dafür? Monika Fagerholm fängt die Leser:innen ihres Romans mit nur wenigen Sätzen und einem unverwechselbaren Sound ein, zu dem sicher auch die großartige Übersetzung von Antje Rávik Strubel beiträgt. Wer diesen furiosen und tief berührenden Roman noch nicht kennt, hat bei den Nordischen Literaturtagen die Gelegenheit, reinzuhören – und danach vielleicht sogar mit den Autorinnen oder ihrer Übersetzerin ins Gespräch zu kommen. Der Austausch vor und nach den Veranstaltungen gehört bei dem von Lena Dircks und Carolin Löher kuratierten Festival ausdrücklich zum Programm.
Nordische Literaturtage im Literaturhaus, Schwanenwik 38, 18.30 Uhr, 20.15 Uhr,
Tagesticket € 16,–/12,–, Streaming € 7,–, Festivalpass € 50,–/38,–/Festival-Streaming 16,–