Freitag, 29.11.2019


Lesung mit Saša Stanišić

Zufall, Fluch, Wimmelbild

Saša Stanišić
Saša Stanišić, Foto: Katja Sämann
Es sei »ein Konstrukt«, heißt es da, »eine Art Kostüm« für immer, »Fluch« und »Vermögen«, »Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat«, »Kitsch« und »Wimmelbild«. All das gehört für Saša Stanišić zur Herkunft, so wie die Häkchen in seinem Namen und die Jahre, in denen sein Aufenthalt in Deutschland nur zum Studium erlaubt war. In seinem neuen Buch »Herkunft« geht er all diesen Varianten nach. Sie tragen sich mal schneidend tief, dann an den lichteren Oberflächen in das Leben ein. Was seine Spurensuche dabei aber vor allem vorantreibt, was ihr den Takt vorgibt, ist das Vergessen. Von dem wird Kristina Stanišić heimgesucht. Und ihr Enkelsohn Saša schreibt dagegen an, denn wer Geschichten erzählt, konstruiert Erinnerung. Im Heine-Haus in Ottensen stellt Saša Stanišić sein mit dem Deutschen Buchpreis 2019 ausgezeichnetes Buch vor.

Das Land, in dem Saša Stanišić 1978 geboren wurde, gibt es heute nicht mehr. Er flüchtete während des Bosnienkrieges im Alter von 14 Jahren mit seinen Eltern aus Višegrad in Bosnien nach Heidelberg, hat am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert – und ist heute einer der bekanntesten und auch international erfolgreichsten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur. Seine Familie lebt über die ganze Welt verstreut, sie sei »mit Jugoslawien auseinandergebrochen«, schreibt Stanišić in »Herkunft«, und hätte sich danach »nicht mehr zusammensetzen können«. Sein »Geschichtenkitt« ändert an dieser Entfremdung nichts, obwohl er »das Heile beschwört und das Kaputte überbrückt«.

Zum Ausgangspunkt seiner Herkunftssuche wird ihm ein Dorf in den bosnischen Bergen, »das es bald nicht mehr geben« wird, weil dort kaum noch jemand lebt. Er besucht es zusammen mit seiner Großmutter Kristina. Dort oben in Oskoruša heißen sie alle Stanišić, und sie liegen fast alle auf dem Friedhof, auch seine Urgroßeltern. Zuerst macht er sich nicht viel daraus, »Zugehörigkeitskitsch«, denkt er, bis Kristina neun Jahre später vergesslich wird. Er beginnt eine große Recherche und findet unzählige Geschichten, von denen manche so wahr sind, wie es Geschichten nur sein können und andere so gut von ihm erfunden, dass man sie unbedingt glauben will. Sie erzählen von seinen Heimaten in Bosnien, in Deutschland und in der Sprache.

Saša Stanišić beherrscht die Tempi perfekt, er ist ein großartiger Erzähler, spielerisch leicht findet er Pointen, wenn es seine Geschichte erlaubt und schweift ab, sobald der Text den größeren Atem braucht. Und am Ende geht das dann tatsächlich (fast) für immer so weiter mit dem Geschichtenerzählen. Die Leser können sich ihr eigenes Finale dieses Abenteuers zusammenbrauen – und landen dabei zielsicher immer wieder mitten im Geschehen.

Cohen + Dobernigg Buchhandlung, Anmeldungen: Die Veranstaltung ist ausverkauft.


Soloabend mit Sebastian 23

»Endlich erfolglos!«

»Slam, Satire, Lieder« und »Mütze« gibt es bei einem Soloabend mit dem Slam-Poeten Sebastian 23, der mit seinem neuen Buch und Programm zudem den »Ausweg aus der Leistungsgesellschaft« verspricht.

Polittbüro, Steindamm 45, 20.00 Uhr, € 15,–/10,–


Poetry Slam

»8 min Eimsbüttel«

Vertreter der Dichtkunst treten zum Wettstreit an, und wenn sonst beim Poetry-Slam in 5 Minuten alles gesagt sein muss, gibt es bei diesem Slam eine Gnadenfrist von 3 Minuten. Ob »hitzig oder lyrisch, klug oder wüst«, es darf gelesen werden, was gefällt. Moderation: Friederike Moldenhauer.

Auster Bar, Henriettenweg 1, 20.00 Uhr, € 4,–, für Vorlesende ist der Eintritt frei.


Literatur in Hamburg