Dienstag, 26.03.2019
Lesung mit Vea Kaiser
Wer den Teufel lang genug ruft
Vea Kaiser, Foto: Ingo Petramer
Er ist als Schauspieler gescheitert, kann seine Wohnung nicht mehr bezahlen, und seine Lebensgefährtin hat ihn auch noch verlassen. Mit Geld kann Lorenz zwar niemand aus der Klemme helfen, doch sein Onkel Willi und seine Tante Hedi nehmen ihren Neffen mit offenen Armen bei sich auf. Die kleine Wohnung am Stadtrand von Wien ist seit Jahren Zentrum der Familie und Treffpunkt der verschrobenen, doch lebensklugen Schwestern Mirl, Hedi und Wetti. Im Wechsel mit den Ereignissen in der Gegenwart erzählt Vea Kaiser in »Rückwärtswalzer« von der schweren Kindheit, der Jugend und aus dem Leben der Schwestern, die auf einem Hof im österreichischen Waldviertel ohne Vater aufgewachsen sind und seitdem ein trauriges Geheimnis bewahren. Nur Willi, der eigentlich Koviljo Markovic heißt, ist in die Sache eingeweiht, weil sein Schicksal ähnlich schuldbeladen ist. Aufgegeben hat Willi dennoch nie.
»Wer den Teufel nur lange genug ruft, zu dem wird er auch kommen.« Mit diesem Sprichwort hat ihn in seiner Kindheit in einem Bergdorf in Montenegro sein Vater ermahnt, nicht vorschnell die Hoffnung zu verlieren. Jetzt gibt er es seinem liebeskranken Neffen Lorenz auf und stirbt dann prompt selbst. Das wäre eigentlich schon schlimm genug, doch Willi hatte immer den Wunsch, im Grab seiner Familie in Montenegro begraben zu werden, und dafür fehlt das Geld. Mirl, Hedi und Wetti beschließen kurzerhand, die Überführung der Leiche selbst zu übernehmen.
Mit Lorenz am Steuer und dem toten Willi auf dem Beifahrersitz eines Fiat Panda geht es von Wien aus über 1000 Kilometer in den Süden, bis sie an der Grenze zu Montenegro von einem Grenzbeamten gestoppt werden. Doch zum Glück sind auch die guten Totengeister der Familie mitgereist. Sie sorgen dafür, dass in dem mit viel Schwung, Humor und großer Sympathie für die Protagonisten erzählten Roman am Ende dann doch noch gesagt wird, wer zurückbleiben musste. Und die Lebenden mit den Toten ihren Frieden machen können.
Cohen + Dobernigg Buchhandel, Sternstr. 4, 20.30 Uhr, € 10,–
Lesung
»Zu jung für alt«
Dieter Bednarz liest aus seinem Buch über den »Aufbruch in die Freiheit nach dem Berufsleben«.stories! im Falkenriedquartier, Straßenbahnring 19.30 Uhr, € 5,–
Reservierungen unter: anmeldungen@stories-hamburg.de
Lesung mit Miriam Toews
Außerhalb von Zeit und Raum
Miriam Toews, Foto: Carol Loewen
International bekannt wurde die kanadische Schriftstellerin Miriam Toews mit ihrem Roman »Ein komplizierter Akt der Liebe« (2005), einer biografisch-literarischen Aufarbeitung ihrer eigenen Kindheit und Jugend in einer Mennonitengemeinde außerhalb von Winnipeg. Sie hat seitdem mehrere Romane veröffentlicht, wurde vielfach ausgezeichnet und ist heute eine der profiliertesten Autorinnen ihres Landes.
Als »fiktionale Reaktion« auf die Ereignisse in einer mennonitischen Gemeinde in Bolivien und als einen »Akt der weiblichen Phantasie« bezeichnet Toews in einer kurzen Einleitung ihren neuen Roman »Die Aussprache«. Zwischen 2005 und 2009 wurden in der Manitoba-Kolonie in Bolivien dutzende Mädchen und Frauen in ihren Schlafzimmern von sieben Männern betäubt und vergewaltigt. Nur durch einen Zufall wurden sie entlarvt. In der Gemeinde glaubte man lange, die Vergewaltigungen seien ein Werk des Teufels, der die Frauen für schmutzige Phantasien bestrafen würde. Acht Mütter, Töchter und Ehefrauen treffen sich in Miriam Toews Roman nun auf einem Heuboden, während ihre Peiniger vor Gericht stehen. Die Männer haben das Dorf verlassen, um der Gruppe der Vergewaltiger beizustehen, nur der demente Earnest Thiessen und der Lehrer August Epp sind zurückgeblieben.
48 Stunden haben die Frauen Zeit, um sich zu entscheiden, wie es weitergehen soll, wie sie sich und ihre Kinder in Zukunft vor den Männern schützen können. Nichtstun, bleiben und kämpfen oder gehen, das sind die ihre Optionen. Das Protokoll über das Treffen der Frauen führt August, der als Schullehrer kein hohes Ansehen genießt und als »unmännlicher Mann« gilt, weil er kein Bauer ist. Er kann lesen und schreiben, er hat in London gelebt und ist für seinen Glauben in die Gemeinde zurückgekehrt. Sein Protokoll erzählt am Ende nicht nur von Verletzungen, die nicht heilen und von einer existenziellen Entscheidung, deren Folgen unwägbar sind, weil sie in die Freiheit führt. August Epp erzählt auch von der zarten Liebe, die er für Ona Friesen empfindet, die unter den Kolonisten als zu gutmütig und »damit untauglich für die wahre Welt« gilt. Ona ist unverheiratet und hochschwanger, nachdem sie mehrmals vergewaltigt wurde.
Dennoch hat sie ihren Glauben an die Liebe nicht verloren, sie hat eine »ganz eigene Vision« von der Zukunft der Frauen. Und diese Vision gibt sie auch August für sein Protokoll mit auf den Weg: »Uns sind viele Dinge bewusst, instinktiv, sagt Ona leise, aber wenn man sie auf eine bestimmte erzählerische Weise präsentiert bekommt, ist das schön und macht Spaß.«
Ökumenisches Forum HafenCity, Weltcafé ElbFaire, Shanghaiallee 12, 19.00 Uhr, Eintritt frei. Anmeldung unter info(at)oefh.de
Lesung
»Gedankenflieger«
»Was ist wirklich wahr?«Jörg Bernardy philosophiert mit Kindern über Freiheit mit Kindern.Literaturhaus, Schwanenwik 38, 9.00 Uhr und 11.00 Uhr, € 90,– pro Schulklasse. Anmeldung unter gedankenflieger(at)literaturhaus-hamburg.de erforderlich.
Poetry Slam
»Hamburg ist Slamburg«
Prosa & Poetry, Kunst & Karriere, Trophäen und Groupies für siegreiche Poeten, all das gibt es beim Slamburg-Slam. Lesezeit: 5 Minuten. Das Publikum kürt die besten Texte. Wie immer mit Oden, Tiraden, Special Guests und Musik von DJ Blume. Moderation: Hartmut Pospiech und Tina Uebel.Nochtspeicher. Bernhard-Nocht-Str. 69a, 20.00 Uhr, € 6,–. (Wer vorlesen möchte, meldet sich unter www.slamburg.de an.)
Lesebühne
»Liebe für alle«
Liebe für alle - Das Ensemble, Foto: Maren Kaschner
Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 19.30 Uhr, € 7.-