Freitag, 12.04.2019


HIGH VOLTAGE – Frühjahrslesetage Hamburg

Wie man auf einem Moped fährt

Doris Knecht
Doris Knecht, Foto: Pamiela Rußmann
Es gibt ein retardierendes Motiv, das wie eine Grundmelodie in den neuen Roman »weg« von Doris Knecht eingewoben ist und ihm einen Ton und den Takt vorgibt: »Wie man auf einem Moped fährt«. Gleich zur Eröffnung werden auf nur einer Seite die Varianten durchgespielt, die möglich sind, sie münden pointiert und direkt in der Ausgangsfrage des Romans: »Kommt darauf an, wo man geboren wurde, wie man lebt und wer man ist«. Doris Knecht liest in der Staats- und Universitätsbibliothek aus »weg«.

Sie sind alle so ungefähr durchschnittlich alt, durchschnittlich begabt, leben irgendwo in der Mitte der Gesellschaft und geraten in eine Lebenskrise. Das ist die Ausgangssituation der Romane von Doris Knecht, die in Österreich seit vielen Jahren auch als Kolumnistin bekannt ist. In ihrem Debüt »Gruber geht« (2011) wird ein Manager, Porschefahrer und Loftbesitzer mit einem Tumor gestraft, in »Wald« (2015) ist Marian, Anfang Vierzig, alleinstehende Mutter einer erwachsenen Tochter, mit ihrem finanziellen Ruin konfrontiert, in ihrem zuletzt erschienen Roman »Alles über Beziehungen« (2017) gerät der notorische Frauenheld Viktor in ein heikles Beziehungsdrama. Das ist nicht sonderlich spektakulär, dennoch sind die Romane von Doris Knecht »Paradebeispiele für den gelungenen Spagat zwischen U und E« (»Die ZEIT«), präzise, unaffektiert und in einem ganz eigenen Sound erzählt. Das gilt auch für den Roman »weg«, in dem Heidi und Georg die Hauptrollen spielen – und ein altes Moped. Das steht seit vielen Jahren kaputt in der Garage von Georgs Gasthof in den Bergen. Es ist reine Nostalgie, dass er es noch nicht weggeben hat. Doch er hängt daran, immerhin hat er auf diesem Moped einst seine Freundin Heidi in die Idylle der Weinberge auf den Hügeln um Wien ausgefahren. Und Heidi behauptet bis heute, sie hätten an diesem Abend Lotte gemacht, ihre gemeinsame Tochter. Das Kind ist alles, was sie verbindet, ihre Lebensentwürfe sind grundverschieden, sie hatten sich eigentlich nie viel zu sagen. Georg lebt inzwischen als ambitionierter Koch in einer glücklichen Ehe mit drei Kindern in seinem eigenen Gasthof, Heidi ist in einem Kleinbürgerparadies bei Frankfurt nicht mehr ganz so glücklich verheiratet, hält aber tapfer den Kopf hoch. Als Lotte dann eines Tages »irgendwie verschwunden« ist, sind sie zum ersten Mal damit konfrontiert, gemeinsam Eltern sein zu müssen. Was sie dafür vor allem wieder lernen müssen, ist, wie man auf einem Moped fahren kann und dabei über sich hinauswächst, ein bisschen jedenfalls.

HIGH VOLTAGE - Frühjahrslesetage in der Staats- und Universitätsbibliothek, Lichthof im Altbau, Von-Melle-Park 3, 19.30 Uhr, € 12,–/8,–


Literatur im Gespräch

Der Verlag Friedenauer Presse

Die neue Verlegerin der Friedenauer Presse, Friederike Jacob, stellt den von ihr 2017 übernommenen Verlag vor. Die Friedenauer Presse wurde 1963 gegründet, seither sind rund 200 Bücher mit dem Signet des Verlags erschienen. Romane und Erzählungen der Weltliteratur, Gedichte, Briefwechsel und Essays, literarische Entdeckungen aus der Vergangenheit und Gegenwart, übersetzt aus vielen Sprachen. Friederike Jacob wird die Verlagsgeschichte und Bücher aus dem aktuellen Programm in Lesungen und im Gespräch vorstellen. Unterstützt wird sie mit dem Akkordeon, mit Gesang und Zwischenfragen von ihrer Schwester, der Sängerin und Schauspielerin Pauline Jacob.

Lesesaal Buchhandlung & Café, Stadthausbrücke 6, 20.00 Uhr, € 8,–


Lesung

»Lügenmeer« und »Küstenzorn«

Susanne Kliem und Angelika Svensson lesen aus ihren neuen Krimis.

Speicherstadtmuseum, Am Sandtorkai 36, 19.30 Uhr, € 11,–/9,–
Reservierung: Tel. 040-321191 oder info@speicherstadtmuseum.de


Literatur und Musik

»…jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«

Katharina Schütz liest aus Werken von Hermann Hesse, Johann Wolfgang von Goethe, Hilde Domin und aus dem Gedichtband »Proben von Stein und Licht« von Anja Kampmann. Werke von Bach, Haydn und Mendelssohn spielen Meike Thiessen und Estibaliz Galardi (Violine), Lucas Schwengebecher (Viola) und Georg Pawassar (Violoncello).

Kirche Sinstorf, Sinstorfer Kirchweg 21, 20.00 Uhr, Eintritt frei


Lesung

»Geschichtensalon«

Lesung mit Alexandra Kampmeier, Viktor Hacker und ihren Gästen.

Goldbekhaus, Moorfurthweg 9, 20.00 Uhr, € 16,–/ 13,–


HIGH VOLTAGE – Frühjahrslesetage Hamburg

»Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe«

Wieland Freund liest aus dem von ihm fortgesetzten Romanfragment »Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe« von Michael Ende. Für Kinder der 1. Und 2. Klasse.

Literaturhaus und Stromnetz Hamburg, Ort Stromnetz Hamburg GmbH, Bramfelder Chaussee 130, 10.00 Uhr, € 4,–, Anmeldung erforderlich: 040.492027042, veranstaltungen@stromnetz-hamburg.de



Videoschnipsel mit Jürgen Kuttner

»Kuttner erklärt die Welt«

Seit fast zwanzig Jahren präsentiert der Kulturwissenschaftler und Radiomoderator Jürgen Kuttner seine »Videoschnipsel«, immer zu einem bestimmten Thema, z.B. über »Männer, Frauen, Autos«, »Helden«, »Schlager« oder auch »Kollateralschlager in der Sinnzentrifuge«, doch das eigentliche Ereignis der »Schnipsel«-Schau sind die kritischen, ellenlangen, nonsens-soziologischen und klugen Kommentare von Jürgen Kuttner. Einfach klasse. Seine (fast) monatlichen und immer neuen Schnipselvorträge an der Volksbühne in Berlin und im Polittbüro sind längst legendär und haben im gesamten deutschsprachigen Raum Kultstatus.

Polittbüro, Steindamm 45, 20.00 Uhr, € 15,–/10,–

Literatur in Hamburg